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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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sich die Augen.
    Nein, die Rabenfeder war immer noch da. Und sie
verschwand auch nach mehrmaligem Blinzeln und Augenzusammenkneifen nicht,
sondern schwebte vor ihr in der Luft, ganz so, als wartete sie auf etwas.
    Lara blickte sich um. Im
Sessel gegenüber schlief zusammengesunken Henry McLane. Offensichtlich hatte er noch gelesen, während Lara
schon lange eingeschlafen war, denn ein Buch lag aufgeschlagen über seiner
Brust.
    Im Hintergrund lief ganz leise Eagle
Eye Cherry in Endlosschleife.
    Save tonight and fight the break of
dawn …
    Plötzlich bewegte die Feder sich. Sie huschte lautlos
durch die Wohnung, in jedes Zimmer hinein und kam schließlich wieder zu Lara.
    Die stand auf und folgte der Feder neugierig.
    Vor dem Kühlschrank in der Küche verharrte die Feder
mitten in der Luft.
    Â»Du willst, dass ich den Kühlschrank aufmache?«,
wunderte Lara sich verschlafen.
    Lara öffnete den
Kühlschrank und die Feder huschte hinein, um zwischen Lees
kärglichen Vorräten zu wuseln. Sie zuckte hin und her und klopfte mit dem
Federkiel schließlich an eine Tube Ketchup.
    Zu müde, um sich weiter zu wundern oder gar zu
protestieren, nahm Lara die rote Tube aus dem Fach und öffnete den Deckel.
    Sofort tunkte die Feder in die roten Ketchupreste im
Deckel und begann, von selbst auf einer Rolle Küchenpapier zu schreiben.
    Warte unten vor dem Laden.
C. Hester

    Sofort war Lara hellwach.
    Wofür das C stand, wusste
sie zwar nicht, vermutete aber, dass es sich dabei um eine Initiale von Lord
Hesters Vornamen handeln musste. Und wenn Lord Hester hier war, erklärte das
zumindest die Rabenfeder.
    Leise tapste Lara zurück ins Wohnzimmer und warf einen
Blick aus dem geöffneten Fenster.
    Tatsächlich. Dort unten vor dem Schlüsselladen stand
der Rabenlord, gehüllt in seinen blauen Mantel, seinen blauen Zylinder auf dem
Kopf.
    Jetzt legte er den Kopf in den Nacken und sah zu ihr
hoch.
    Ein Lächeln umspielte seine Lippen und der weiße
Backenbart zuckte. Leise hob er die Hand zum Gruße und winkte ihr zu.
    Lara winkte zurück und
verschwand vom Fenster. Hektisch blickte sie sich um und entdeckte schließlich
ihre dunkelblauen Chucks im Rahmen der Wohnzimmertür. Sie zog sie an, wobei sie
versuchte, so leise wie möglich zu sein, und verschwand schließlich geräuschlos
aus der Wohnung.
    Unten im Laden nahm sie einen Stuhl, stieg darauf und
setzte die Mechanik der Blechklingel außer Gefecht, ehe sie sich endlich auf
die Straße traute.
    Â»Gute Nacht!«, begrüßte der Rabenlord sie
schelmischer, als sie es ihm je zugetraut hätte. Für sie war er stets ein
erhabener alter Mann.
    Â»Woher wissen Sie, dass ich hier bin?«, erkundigte
Lara sich verdutzt.
    Â»Ich bin der Rabenlord«, merkte der Gefragte halbwegs
vergnügt an. »Das heißt –«
    Â»â€“ dass Sie es von den Raben wissen«, vollendete Lara
den Satz. »Schon gut, ich weiß, Ihre Augen und Ohren sind überall.«
    Â»Ãœberall wäre übertrieben«, lenkte Lord Hester ein. » An vielen Orten träfe es besser. Außerdem seid ihr gestern
am späten Abend so schnell auf und davon gewesen, dass ich keine Gelegenheit
mehr hatte, ein Wörtchen mit dir zu sprechen.«
    Lara biss sich auf die Unterlippe. Tatsächlich hatte
sie es fünf Minuten lang geschafft, nicht mehr an das Inferno im Rondell zu
denken. Natürlich, Lord Hester würde nicht mitten in der Nacht auf einen Tee
vorbeikommen. Das tat er schon tagsüber nie.
    Â»Wie steht’s um das Rondell?«, wollte sie wissen.
    Der Rabenlord legte den Kopf schief und über ihm
krächzte irgendwo ein Rabe.
    Â»Ich schätze mal, sie haben Glück im Unglück gehabt.
Ms Reeds und Mr Davenport waren so frei, mir alles zu berichten, was sie noch mitbekommen haben. Es scheint beinahe
so, als hätte Ma’Haraz eine kleine Privatfehde mit dem jungen Mr Crooks
bestritten.«
    Irgendwie fühlte Lara sich schuldig. Sie hätte nicht
einmal sagen können, warum oder gar wodurch. Doch irgendwie hatte sie den
Eindruck, dass alles, was sie in den letzten Tagen anfasste, in die Brüche
ging.
    Â»Indes, wo ist Lee Crooks eigentlich?«, fragte der
Lord.
    Â»Im Krankenhaus«, murmelte
Lara. »Er hat sich verbrannt.«
    Sie hielt kurz inne.
    Â»Was ist mit Tom?«, fragte sie dann zurück.
    Â»Hm«, machte Lord Hester. »Wie soll ich es

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