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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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möglicherweise respektlosen Antwort ansetzen konnte, hatte Patrick
ihr eine Hand auf die Schulter gelegt, um sie zu beruhigen. Sie griff danach,
wie nach einem Rettungsring in schwerer See.
    Â»Wo ist Jasper?«, wollte der Rabenlord wissen. Seine
Stimme klang etwas belegt, weniger voll Tatendrang als noch vor ein paar
Stunden, als sie sich getrennt hatten.
    Â»Hier«, ertönte es hinter Lara.
    Jasper flanierte auf dem Mauergang auf sie zu, begleitet
von einem halben Dutzend Raben. Er wirkte ein wenig, als hätten die Vögel ihn
in ihrer Mitte herbeigeschleift.
    Â»Haben Sie alles, was Sie wollten?«, erkundigte er
sich sogleich.
    Â»Ja, wir –«, setzte Lord Hester an. Doch Jasper
unterbrach ihn.
    Â»Gut«, meinte er. »Ich habe es mir nämlich überlegt.
Ich werde Ihnen nicht in eine Schlacht gegen ach so gefährliche mechanische
Biester folgen. Ich werde den Wagen nach Saint Malo zurückbringen und meines Weges ziehen. Ich habe Ihnen verraten,
was es mit den Spiegeln auf sich hat, Sie wissen nun, dass Dottore Lippi ein
verräterischer Hund ohne Ehre ist. Oder wollten Sie sonst noch irgendetwas von
mir?«
    Lord Hester schüttelte knapp den Kopf. Seinem Blick
konnte man deutlich ansehen, dass es ihm ganz und gar nicht recht war, das
Jasper einfach so zu verschwinden gedachte.
    Â»Nein«, brachte er schließlich hervor. »Nein, Jasper,
du hast die Aufgabe erfüllt, die ich dir zugedacht hatte. Du hast uns erzählt,
was wir wissen mussten.«
    Mit scharfem Ton richtete er sich an die Raben, die
den Spiegelmacher umflatterten: »Jungs, lasst ihn in Ruhe!«
    Die Vögel lösten sich sofort von Jasper.
    Â»Danke«, sagte dieser. »Wenn Sie mich tatsächlich noch
einmal brauchen sollten – oder meine Kreditkarte –, dann wissen Sie ja, wo
Sie mich finden.«
    Er deutete eine elegante, aber leicht spöttisch
wirkende Verbeugung an und verließ die Gruppe auf demselben Weg, den er
gekommen war.
    Â»Jasper«, rief Lord Hester ihm hinterher.
    Der Angesprochene drehte sich noch einmal kurz um.
    Â»Mach bitte keine Dummheiten, ja?«
    Â»Ach.«
    Jasper zuckte mit den Schultern.
    Â»Und Jasper?«
    Â»Ja?«
    Â»Danke!«
    Â»Wie Sie meinen, Lord«, winkte Jasper und verschwand.

    Krieg!
    Â»Und Sie wollen wirklich einen Krieg anzetteln?«,
fragte Lara ungläubig. »Ich meine, ich habe mir Ravinia immer ganz anders
vorgestellt und … und Sie auch.«
    Â»Ich möchte nicht kämpfen,
Lara«, entgegnete der alte Lord. Er saß in Doktor Pitrovs Schreibtischsessel.
Der Wissenschaftler hatte die Sternwarte auf Lord Hesters Bitten hin verlassen,
nicht jedoch ohne ausschweifend auf Russisch über diesen Umstand zu fluchen.
Doch Lord Hester hatte ihm zu verstehen gegeben, dass die Stadt ihn bezahle und
er sich auch bitte schön den Weisungen der Stadt zu fügen
habe. Eine Finte, doch bis Pitrov
herausgefunden hätte, dass der Stadtrat keineswegs beschlossen hatte, die
Sternwarte zum Hauptquartier und Ausgangspunkt einer verzweifelten Expedition
in die Tiefen Epicordias zu machen, wären sie längst wieder fort.
    Pitrovs Arbeitsbereich war genauso ranzig und
heruntergekommen, wie Lara ihn in Erinnerung hatte, doch da sie sich nur zu
einer kleinen Stärkung bestehend aus Fish and Chips hier aufhielten, kam sie
darüber hinweg. Vielleicht hätte sie unter normalen Umständen andauernd zu
Patrick hinübergestarrt, doch die Situation gab ihren Schwärmereien keinen Raum.
Lara fürchtete sich ein wenig. Nicht vor dem, was tief unten in Epicordia in den nächsten Stunden geschehen mochte, sondern
vielmehr davor, was anschließend kommen würde. Davor, wie sie die Welt und die
Stadt und Patrick und sich selbst sehen würde, wenn ihr Kopf nicht mehr derart
von den sich überschlagenden Ereignissen rauschen würde.
    Der Alte Herr machte seinem
Namen alle Ehre. Da sie vor dem Sonnenlicht in Sicherheit waren, hatten
Francesco und er ihre Umhänge abgelegt. Zum Vorschein war ein kleiner, gekrümmt gehender Mann gekommen, seine Haut war
so blass wie Papier, doch seine Augen stachen mit Blicken so scharf wie Rasierklingen. Kleine, wachsame schwarze Augen,
die irgendwie nicht zu dem schmächtigen Körper passen wollten. Er war
sauber rasiert und frisiert, seine schlohweißen Haare zu einem ordentlichen
Scheitel gekämmt. Piorino ließ er sich nennen. Von
jedem. Einfach

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