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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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»Ich selbst habe nicht mal
zwei Handvoll von ihnen gefertigt.«
    Â»Aber das erklärt so viel «,
funkte Lara wieder dazwischen. Diesmal laut genug, dass sich alle außer Patrick
nach ihr umsahen.
    Â»Ãœberlegt doch mal!«, rief sie in die Runde. »Durch
Lippi erhält Roland Winter den perfekten Rückzugsort. Durch die Spiegel kann er
der Kontrolle der Spinngarde entgehen und trotzdem alles nach Epicordia
schaffen, was er will.
    Und genauso einfach erklärt sich auch vieles von vor
zwei Jahren …
    Lippi meinte, er sei Alchimist, stimmt’s?«
    Â»Das ist korrekt«, bestätigte Patrick.
    Â»Dann hat er damals das
Synästhesin gestohlen«, dachte sie laut weiter.
    Â»Das ergibt Sinn«, pflichtete Lord Hester ihr bei.
»Und dann war er es höchstwahrscheinlich auch, der
den jungen Rabanus Julianus vergiftet hat. Wenn ein guter Alchimist dich mit
einer dir unbekannten Substanz vergiften will, dann kann er es sicher so
einfädeln, dass auch nur er in der Lage ist, dir ein Gegengift herzustellen.«
    Â»Deshalb war Valerius also auf Gedeih und Verderb
daran gebunden, in Winters Diensten zu stehen. Das ist so unglaublich …«, Lara
suchte nach einem Wort, um ihrer Empörung Luft zu verschaffen, doch sie fand
keines.
    Â»Gottlos?«
    Â»Niederträchtig?«
    Francesco und Jasper versuchten ihr mit Worten
auszuhelfen.
    Â»Und das Schlimmste daran ist, dass es ihn das Leben
gekostet hat«, führte Lord Hester den Gedanken mit ernster Stimme zu Ende.
    Â»Aber es ist durchaus … genial«, räumte Jasper ein.
    Â»Schäm dich!«, fuhr der Lord ihm über den Mund.
    Und mit Köpfen, die
vollgestopft waren von viel zu vielen Gedanken, um sie sortieren zu können,
näherten sie sich ihrem Ziel, zunächst von Westen her und schließlich von
Süden, über einen langen, langen Damm.

    Für die Funktion, die der sogenannte Alte Herr ausübte, war der Mont Saint-Michel der ideale
Aufenthaltsort. Eine runde Felseninsel mit vielleicht hundertfünfzig oder
zweihundert Metern Durchmesser ragte als Monument vor dem eher flachen
Küstenstreifen der Normandie aus dem Meer auf. Über und über bebaut mit
altertümlichen Häusern, umgeben von einer schützenden Festungsmauer. Und etwa
fünfzig Meter über dem Meeresspiegel thronte eine gewaltige Kirche, umgeben von
dem Bollwerk eines Klosters.
    Lediglich ein Damm, der bei
Flut kaum zu befahren war, führte die Straße hin zum Berg des heiligen Engels
Michael, der sich in der Vormittagssonne dunkel vor dem hellen Blau des
Horizonts abzeichnete. Die Szenerie beschwor eine gewisse Epik herauf, und Lara
musste unwillkürlich an das Gitarrensolo denken, das The Edge im
Intro von City of Blinding Lights spielt. Zwar hatte sie den Kopf auch so voll
genug, trotzdem verfluchte sie erneut, dass sie ihren MP 3-Player immer noch nicht wiederhatte.
    Â»Was tut eigentlich dieser Alte
Herr ?«, wollte Jasper schließlich wissen. Die Frage war an Francesco
gerichtet, dessen Gesicht unter seiner Kapuze, einem Tuch und einer Sonnenbrille
mit riesigen Gläsern vollständig verborgen lag. Also drehte der Spiegelmacher
sich wieder um. In diesem Aufzug hätte Francesco Bastiani glatt die nächste
Bank überfallen können.
    Â»Er ist eine Art Clanoberhaupt«, erklärte Francesco
missmutig und durch das Tuch vor seinem Mund gedämpft.
    Â»Aha, und das heißt?«
    Â»Alle Familien des
Mondvolkes in Epicordia schwören jemandem aus ihren Reihen
die Treue. Dieser Jemand wird zum Alten Herrn oder
zur Alten Dame und muss Epicordia verlassen. Diese
Person wird fortan nur aufgesucht, wenn es wichtige, grundsätzliche
Entscheidungen zu treffen gibt, und sie hat ansonsten für sich allein,
allerhöchstens in Begleitung des Ehepartners zu leben.«
    Â»Ganz schön seltsam, wenn du mich fragst«, ließ Jasper
verlauten. »Warum muss diese Person denn weg von euch?«
    Â»Um nicht voreingenommen zu sein, wenn sie einen
Richtspruch zu machen hat.«
    Â»Hm«, sagte Jasper. »Wirklich seltsam. Aber auch nicht
dumm. Immerhin scheint es zu funktionieren.«
    Â»Geht so«, murmelte Francesco. »Die Clans verlieren
sich lieber in Kleinigkeiten und streiten sich, wie weit jeder seinen
Gartenzaun ans Nachbargrundstück bauen darf. Niemand hat wirklich Lust, einmal
eine große Grundsatzdebatte zu führen.«
    Â»Ist das auch der

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