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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Person außer dem
Vorbesitzer hatte Jasper dieses Wissen jemals anvertraut. Und bei dieser Person
handelte es sich um niemand Geringeren als Baltasar Quibbes, der allgemein als
Geheimniskrämer bekannt war. Dieser Schritt war leider notwendig gewesen, um
sich von Mr Quibbes einen Wohnungsschlüssel anfertigen zu lassen, der ihn
direkt in seine eigenen vier Wände in New York führte, egal, durch welche Tür
er trat. Neben Mr Quibbes’ ohnehin schon ausgeprägter Verschwiegenheit, hatte
der Schlüsselmachermeister darüber hinaus natürlich eine vollkommen
übertriebene Summe von Jasper erhalten, die in Gegenleistung ein zusätzliches
Versprechen zur Geheimhaltung beinhaltete.
    Jasper betrat seinen Laden in
London nur kurz, um einen Sack voller Scherben einzusammeln. Dann schloss er
die Tür zu seinem Domizil in New York auf. Denn dort gab es einen
menschengroßen, unversehrten und makellosen Spiegel, von dem weder Lippi noch
Winter etwas wissen konnten. Und dessen Manipulation war ein Kinderspiel für
Jasper, zumal er ja nun den Eigentümer des Spiegels kannte, zu dem er wollte.
    So montierte er eine Weile an
seinem Spiegel herum, besprach ihn, ließ seinen Geist die Fühler ausstrecken.
Er suchte die anderen magischen Spiegel, die er verkauft hatte. Und er fand sie
schließlich. Er erinnerte sich an den Spiegel, den er Lippi in aller
Verschwiegenheit anvertraut hatte. Er wusste, wie groß er war, erinnerte sich
liebevoll an den Rahmen, an die Form, an die Proportionen. Selbst die
Zusammensetzung der Legierung, die er für jeden seiner Spiegel neu erfand, kam
ihm wieder in den Sinn.
    Und schließlich fand er ihn. Er
blickte ganz offensichtlich in einen Behandlungsraum.
    Jasper pfiff leise durch die Zähne.
    Wie dreist Lippi doch war. Da
hängte er den Spiegel, der der Schlüssel der Sturmbringer nach Epicordia war,
mitten in seinem Behandlungszimmer auf. Das würde ihm noch leidtun.
    Jasper festigte den Durchgang zu
Lippis Spiegel und trat hindurch.
    In Lippis Arbeitsräumen angelangt,
fand er niemanden vor. Doch er wunderte sich nicht darüber. Er warf einen
schnellen Blick aus einem der Fenster, nur um für sich selbst behaupten zu
können, er habe Epicordia einmal im Leben gesehen. Dann konzentrierte er sich
wieder auf sein Vorhaben.
    Von Lippis Spiegel aus führte der
Durchgang in einen erhaben eingerichteten Saal, dessen Wände mit dunklen
Regalen zugestellt waren, in denen sich viele Bücher fanden, die prächtig
eingebunden waren. Der Ort musste in einem alten Schloss oder Herrenhaus liegen,
vermutete Jasper. Das Nachmittagslicht des Sommers war fahl, auch wenn es durch
riesige Fenster fiel. Staub von Äonen schien beinahe alles hier zu bedecken.
    Jasper fragte sich immer noch, wo
er wohl gelandet war und wie sein Spiegel den Weg hierher gefunden hatte. Dem
Sonnenstand bei seiner Ankunft nach zu urteilen, musste er sich irgendwo in
Europa befinden, der Architektur und den Namen auf den Einbänden der Bücher
nach, wettete er sogar darauf, dass er in Großbritannien war.
    Alles, was jetzt zu tun blieb, war
warten.
    Er hatte einen Sessel in einem
spitzen Winkel zum Spiegel gestellt, gerade gegenüber der Salontür, sodass
jemand, der durch den Spiegel kam, ihn erst auf den zweiten Blick sehen würde.
    Und so wartete er geduldig, Stunde
um Stunde um Stunde.
    Erst als die Abenddämmerung schon
längst hereingebrochen war, hatte das Warten endlich ein Ende.
    Doch wie es das Schicksal so
wollte, betrat eine andere Person den Raum – nicht durch den Spiegel, und es
handelte sich auch nicht um Dottore Luigi Lippi.
    Beide Flügel der Salontür schwangen
gleichzeitig auf und ein Mann trat hindurch, nur um kurz darauf verwundert
innezuhalten, als er Jasper im Sessel erblickte.
    Jasper betrachtete sein Gegenüber,
das Überraschungsmoment tatsächlich auf seiner Seite wissend. Der Mann hatte
einen mediterranen Teint und eine Hakennase. Schwarze Korkenzieherlocken fielen
hinab auf seine Brust und er trug einen ebenso schwarzen Pullover, dessen Ärmel
hochgekrempelt waren.
    Â»Wer sind sie?«, fauchte der
hakennasige Mann ihn an mit einer Stimme, die nach Wüstenwind klang. Die
Überraschung, die trotz der Drohung in dieser Frage mitschwang, war nicht
aufgesetzt. Dieser Teil seines Plans schien Jasper wirklich durch und durch
gelungen zu sein. Was ihn mit nicht wenig Stolz ob seines genialen

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