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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Geistes
erfüllte.
    Er zog mit einer Hand, die er neben
dem Sessel hatte herabhängen lassen, den locker zugeschnürten Leinensack auf.
    Â»Gestatten«, ließ er seine guten
Manieren schleifen, indem er nicht einmal aufstand, um sich vorzustellen.
»Jasper, Spiegelmacher aus London.«
    Die Augenbrauen des
Hakennasenmannes schnellten nach oben.
    Â»Das ist ja interessant«,
kommentierte er. »Weiß Lord Hester, dass Sie hier sind?«
    Â»Sagen wir mal, er weiß über die
Umstände Bescheid«, antwortete Jasper mit Genugtuung, sogar seine ansonsten so
feine Ausdrucksweise vergessend. »Und ich denke, er ist drauf und dran, Ihnen
gehörig in den Arsch zu treten.«
    Â»Sehr schön«, rief sein Gegenüber
und klatschte offenbar zufrieden in die Hände. »So etwas hört man doch gern.
Nur fürchte ich, dass er damit genau das tut, was wir von ihm erwarten.«
    Â»Wie …?«, stockte Jasper zum ersten
Mal.
    Die verfluchten Dreckskerle hatten
also geplant, Lord Hester nach Epicordia zu locken? Oder wie hatte er das Ganze
nun zu verstehen?
    Doch das war hier und in diesem
Moment vollkommen nebensächlich. Was genau die Sturmbringer planten oder
geplant hatten, würde er nämlich jetzt herausfinden.
    Ein Dutzend scharfer
Spiegelscherben schwebten aus dem Leinensack empor und blieb vor Jasper in der
Luft hängen. Wie an einer unsichtbaren Schnur aufgereiht. Drohend zeigten sie
in Richtung des Wüstenwindmannes.
    Der streckte seinerseits die Arme
und hinter ihm breiteten sich zwei breite Flügel aus lodernden Flammen aus. Er
wirkte wie ein düsterer Engel mit brennenden Flügeln.
    Â»Beeindruckend«, gab Jasper zu,
entschlossen, sich seine plötzliche Nervosität nicht anmerken zu lassen. »Aber
ich fürchte, Ihr Feuer ist kein adäquates Mittel, um mich einzuschüchtern.
Alles um mich herum ist leicht entflammbar, und ich kann mir nicht vorstellen,
dass es in Ihrem Interesse ist, das ganze Anwesen abzufackeln.«
    Der Feuerengel lächelte dünn.
    Â»Ist es auch nicht«, gab er
bereitwillig zu. »Doch ich habe Sie hier offen gestanden nicht erwartet. Ich
weiß nicht, was Sie mit mir und Ihren netten kleinen, aber äußerst
scharfkantigen Freunden zu tun gedenken. Doch ich weiß, dass mir mein Leben und
meine Gesundheit mehr wert sind als eine ganze Allee von alten Herrenhäusern.
Ich denke also, wir befinden uns im Patt.«
    Â»Möglich«, zischte Jasper und
spürte, wie sein kalter Zorn entbrannte, während er sich blitzschnell erhob.

    Manchmal weht ein Sturm durch das eigene
Leben. Er pustet und bläst mit aller Gewalt und lässt am Ende oft keinen Stein über dem anderen. Und noch schlimmer ist es, wenn
man bemerkt, dass das eigene Leben gar nicht der Fokus dieses Sturms
ist, sondern er sich ausbreitet, alles erfasst, ohne dass jemand abzuschätzen
vermag, was er auf seinem Weg durch die Welten alles mit sich reißt und
zerstört.
    Sie hatten all ihre Vorkehrungen getroffen und
bewegten sich in einem langen Marsch zu dem Ort, an dem sich alles entscheiden
würde. Sie schwiegen die meiste Zeit, die ganze lange Wegstrecke über. Und sie
hatten Angst vor dem Moment der Entscheidung. Doch war niemandem auch nur im
Ansatz bewusst, dass sie sich bei aller verzweifelten Improvisation, bei allem
schnell aufgebrachten Kalkül doch um ein winziges Deut verrechnet hatten.
Vieles von dem Sturm, der vor ihnen aufzog, würde sich hier, direkt vor ihrer
Nase, abspielen. Aber bei Weitem nicht alles.
    Doch das sollte erst später zu ihrem Problem werden …
    Es hatte ein Wiedersehen mit Geneva gegeben, herzlich
und mit viel Erleichterung. Die beiden Freundinnen waren froh gewesen, einander
zu sehen.
    Myra Jones hingegen hatte eingeschnappt zur Kenntnis
genommen, dass ihre Arbeit in Epicordia mehr oder minder getan war. Das
Angebot, nach Ravinia zurückzukehren, schlug sie überraschenderweise
entschieden aus.
    Das Bedeutendste war jedoch die Versammlung gewesen.
    Piorino strahlte eine natürlich Autorität aus, ähnlich
wie Lord Hester. Doch Piorinos Präsenz war schärfer, stechender. Er war
direkter und seine Autorität ging jedem durch Mark und Bein, weit entfernt von
einer bloßen Respektsbezeugung.
    Auf dem Brunnen der Piazza Elo hatte
der oberste Clanherr gestanden, während sich neben Lara und ihren Freunden vor
allem Vertreter aller Clanhäuser des Mondvolkes

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