Epicordia
Leben lang nicht.
»Du willst sagen, dass Ruben Ms Myra Jones â«
»Gefertigt hat«, beendete Alisha die Frage und nickte
Lara dabei ernst zu. »Myra war Rubens
perfekteste und einzigartigste Erfindung â sein persönlicher Mount Everest
sozusagen. Myra war nach auÃen hin wie eine normale Frau. Und zwar in jeglicher
Hinsicht. Wie die perfekte Frau, von der alle Männer träumen.«
»Das ist völlig irre«, rief Lara.
»Natürlich ist es das. Aber du kannst dir ja denken,
dass es tatsächlich so war.«
Lara nickte bloÃ.
»Gut, also hatte Ruben sich jemanden geschaffen, der
an seiner Seite stehen sollte. Ich sage bewusst sollte ,
denn Myra hatte einen Fehler â zumindest aus Rubens Sicht: Sie besaà wirklich
und wahrhaftig einen eigenen Charakter, ein eigenes Wesen. Ja, vielleicht sogar
eine Seele. Sie traf ihre eigenen Entscheidungen darüber, was sie wollte und
was nicht, was ihr gefiel, was sie als ästhetisch empfand, was ihr sympathisch
war und was nicht.
Also musste Ruben sie mehr oder weniger mit Gewalt
unter seine Fuchtel zwingen. Er hielt sie gefangen, misshandelte sie, um sie
gefügig zu machen, versuchte sie zu brechen. Aber es gelang ihm nicht. Rubens
Allmachtsphantasien steckten Myra niemals an. Doch schürte Ruben beharrlich den
Zorn seines perfektesten Werks. Und der Wille seines eigenen Werks richtete
sich immer mehr gegen ihn.
Eines Tages bot sich für Myra die Gelegenheit zu
fliehen, und sie nahm sie wahr. Jedoch nicht, ohne durch Rubens mechanische
Wächter immense Schäden davonzutragen.
Tage und Wochen irrte sie durch die Welt, nur mit den
wenigen Informationen ausgestattet, die sie von Ruben selbst hatte, aus seinem
Gerede über Pläne und Macht und Gier.
SchlieÃlich fand sie eines
kalten Herbsttages ihren Weg zu mir in die Provence. Ruben hatte mich
irgendwann einmal erwähnt und mit Glück und einem bemerkenswerten
Kombinationsgeschick schaffte Myra Jones es bis an meine Haustür.
Und ich nahm sie auf.
Zunächst vollkommen fasziniert davon, was Myra war. Ich säuberte sie und
reparierte sie in mühevollster Kleinarbeit. Ich erzählte ihr von allem, was ich
wusste. Von Ravinia, von dem, was ich über Ruben und Roland Winter wusste,
einfach von allem. Ich wollte, dass sie eine Chance hat, verstehst du? Einfach
eine Chance, egal, wozu sie sie nutzen würde.
SchlieÃlich verlieà Myra
mich nach einigen Wochen wieder, bereit, irgendetwas aus ihrem Leben zu machen.
Ich wünschte ihr Glück dabei
und war frohen Herzens, dass ein so einzigartiges Geschöpf seine Chance in der
Welt bekam â oder sie sich zumindest suchen wollte. Ich war gefangen irgendwo
zwischen Faszination und Selbstverliebtheit, denn schlieÃlich hatte ich sie ja
repariert und wieder völlig funktionstüchtig gemacht.
Dass Myra schlieÃlich als Kommissarin in Ravinia
landen würde, hatte ich nicht gewusst. Ich war seit Jahren nicht mehr in der
Stadt gewesen, aber das weiÃt du ja.
Und ebenso wenig konnte ich ahnen, dass das alles bloÃ
dazu führen würde, dass Myra blutige Rache an Ruben nehmen würde.
Ich meine, ich hätte es ahnen können. Vielleicht. Wenn
ich gewollt hätte, möglicherweise. Aber ich war einfach nur völlig fasziniert
von ihr.«
Alisha schwieg. Damit war alles raus. Alles, was ihr
auf dem Herzen gelegen hatte. Sie fixierte die Krümel auf ihrem Teller und ihr
war deutlich anzusehen, wie sehr sie sich für alles Vorgefallene schämte.
Doch Robert legte seine massige Hand auf ihre und
drückte sie.
»Ich kann dich verstehen«,
sagte Lara schlieÃlich freiheraus. »Ich weiÃ, wie es ist, nicht widerstehen zu
können, weil einen etwas aus Zahnrädern und Federn so unglaublich in den Bann
zieht, dass alles andere daneben scheinbar unwichtig wird.«
Alisha schenkte ihr den
Blick einer Getrösteten. Das Lächeln in ihren Augen war dieses Mal echt.
»Glaub mir«, meinte Lara.
»So ist das nun einmal mit unseren
besonderen Talenten. Sie sind etwas ganz Besonderes, etwas Einzigartiges. Aber sie machen uns das Leben
deshalb nicht unbedingt einfacher.«
Es war eine Erkenntnis, die
Lara schon oft im Unterbewusstsein gespürt hatte. Es war eine endlich, endlich
in Worte gefasste Ahnung, das wurde ihr gerade in diesem Moment bewusst. Das
Besondere hieà eben nicht, dass alles dadurch unbeschwerter wurde. Je
besonderer etwas war,
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