Epicordia
bisweilen ein
Verräter und Lara allein von ihrem GroÃvater Henry groÃgezogen worden.
»Es muss schön sein, eine so groÃe Familie zu haben«,
stellte Lara fest und überlegte, ob sie vielleicht später einmal selbst eine
Familie haben mochte. Sie war sich unschlüssig, hatte bisher nie so recht
darüber nachgedacht.
»Glaubst du?«, fragte Robina erstaunt.
»Aber klar«, meinte Lara. »Was hätte ich dafür
gegeben, unter so vielen Leuten groà zu werden.«
»Du bist komisch«, grinste Robina sie an. »Oder
vielleicht sind wir es beide? Manchmal wünsche ich mir das genaue Gegenteil.
WeiÃt du, eine groÃe Familie hält nicht nur Rückhalt für dich bereit, sondern
auch einen Haufen Erwartungen.«
»Zum Beispiel, dass ihr jemanden von euresgleichen
heiratet?«
»Zum Beispiel. Ich habe dir ja schon erklärt, dass es
nur Streit zwischen Francesco und meinem GroÃvater gibt, seitdem er mit Berrie
verheiratet ist.«
Lara verlor ungeschickt eine Ravioli von ihrer Gabel.
»Ist ja auch ein wenigâ⦠verrückt?«
Robina blickte sie erstaunt an.
»Sag nicht, du hast auch Vorurteile.«
»Nein«, sagte Lara etwas verlegen. »So sollte das
nicht klingen. Nur ist es ja nun mal wirklich nicht alltäglich. Zugegeben, ich
sehe die beiden äuÃerst selten, aber in meiner Vorstellung sieht eine Ehe
irgendwieâ⦠anders aus.«
»Tja, ich fürchte, die beiden haben keine Wahl.«
»Was meinst du?«
»Wochenendbeziehung.«
Lara stutzte.
»Aber warum?«
»Na ja, nicht ganz eine
Wochenendbeziehung. Aber Francesco kann wegen des Tageslichts nicht zu lange
dort oben bleiben und nur in Berries Hütte herumzuhocken macht depressiv.
Genauso macht es jedoch auch Menschen depressiv, wenn sie zu lange in Epicordia
sind.«
»Also keine klassische Wochenendbeziehung, sondern
eher eine Art Modellversuch für eine moderne Ehe?«
»Nenn es, wie du willst.«
»Nein ehrlich, ich habe groÃen Respekt davor.«
Robina sah Lara eine
Sekunde in die Augen. So, wie Laras Augen von einem satten Kastanienbraun
waren, strahlte Robinas Iris in reinem Violett.
»WeiÃt du, was merkwürdig ist?«, sagte Robina
plötzlich.
Lara schüttelte den Kopf.
»Nein.«
»Nicht alle von euch scheinen hier unten in
Depressionen zu verfallen.«
»Wie meinst du das?«
»Der Schriftsteller zum Beispiel nicht.«
»Schriftsteller?«
Lara überlegte.
»Stimmt, jemand hat ihn vorhin erwähnt.«
»Genau. Patrick Davenport. Der wohnt schon ewig hier.«
»Davenport?«
»Jepp.«
»Wie Christopher Davenport?«
»Wer?«
»Ach egal. Kann man ihn besuchen?«
Robina dachte kurz nach und schob sich eine weitere
Gabel Ravioli in den Mund.
»Klar«, sagte sie schlieÃlich. »Warum nicht. Am besten
gleich nach dem Essen, dann bleiben uns die peinlichen Gespräche im Salon
erspart, zu denen sicherlich ohnehin niemand Lust hat.«
Sie zwinkerte vergnügt.
»Schön, dass du da bist, Lara. Wenigstens einer hier,
der vernünftig ist.«
»Zumindest ist es spannend«, gab Lara fröhlich zurück
und machte sich über den Rest ihres Ravioliberges her.
Die Dunkelheit hält häufig Ãberraschungen
bereit. Ob angenehme oder nicht, entscheidet wiederum das Schicksal â und das hat
bekanntermaÃen noch nicht besonders viele Preise für seine Barmherzigkeit
gewonnen.
Auch die Begegnung, die die Dunkelheit diesmal für
Lara bereithielt, war in gewissem Sinne schicksalhaft. Etwas, dass Lara schnell
herausfinden sollte.
»Aber wie hat er denn überhaupt Zugang zu Epicordia
erhalten?«, wollte Lara wissen, während sie Robina Bastiani durch den
eigenartigen Garten der Villa folgte.
»Durch viel Ãberzeugungsarbeit. Vor allem von
Francesco. Aber ich fürchte, er wird dieses ewige âºOben und Unten akzeptieren
sich nichtâ¹-Spielchen langsam leid. Er wirkt schon immer so müde, wenn er davon
spricht.«
Müde, ja, das war vielleicht der richtige Ausdruck.
Francesco wirkte darauf angesprochen
tatsächlich wie jemand, der es absolut satthatte, ständig den Kopf für eine
eigentlich so lächerliche Sache hinzuhalten. Es wirkte, als wäre er
resigniert daran, andauernd Akzeptanz zu predigen.
Zwischen all diesen Dingen war es für Lara oftmals
schwer, das eigene Leben noch als den
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