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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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eigentlich hingehörte?
    Â»Und zwar?«
    Â»Komische Frage, oder? Nach Ravinia natürlich. Wo
sonst werden Leute wie wir denn bitte schön akzeptiert?«
    Â»Na ja«, gab Lara zu bedenken. »Ich verdiene mein Geld
auch als normale Schlüsselmacherin in einer normalen Stadt.«
    Â»Na klar, das können du und deine Gilde ja auch. Aber
was soll ich tun? Soll ich in einer normalen Welt
Gedichte verkaufen, die sich auf magische Weise selbst vorlesen? Ich bitte
dich, wie soll das denn gehen?«
    Gutes Argument, dachte Lara. Sie hatte sich nie
Gedanken darüber gemacht, dass nicht jeder mit einem besonderen Talent sein
Geld auch außerhalb der düstergoldenen Stadt verdienen konnte.
    Patrick winkte ab.
    Â»Ist ja nicht wild. Nur
hab ich es etwas schwerer, wenn ich ausgerechnet aus
meinen besonderen Begabungen Profit schlagen will.«
    Â»Ich dachte, genau dazu
wäre Ravinia da?«, schaltete Robina sich ein.
    Â»Nicht so ganz. In Ravinia findest du Gleichgesinnte
und immer jemanden, der dir unter die Arme greift. Aber wie du dein Geld
verdienst, musst du letztlich selbst wissen. Es gibt nicht wenige Leute, die
trotz ihrer Talente einen anderen Beruf ergriffen haben. Auch wenn sie in
Ravinia gelernt haben.«
    Â»Geht das denn?«
    Â»Na klar. Was meinst du, wie viele Leute noch in eine
weitere Lehre gehen, außerhalb von Ravinia? Oder wie viele anschließend noch
studieren?«
    Lara stellte erstaunt fest, dass sie sich noch nie
Gedanken darüber gemacht hatte.
    Â»Was ist mit dir?«, fragte sie schließlich. »Ich
meine, du musst ja auch von irgendwas leben. Und ich glaube nicht, dass du hier
unten besonders viele Gedichte verkaufst.«
    Â»Stimmt.« Patrick lächelte sie an. Es war kein
Grinsen, dafür war ihm das, was er sagte, viel zu ernst. Es war mehr ein
tiefgründiges Lächeln, das sich in seinen breiten Mundwinkeln versteckte.
    Â»Momentan lebe ich von dem Geld, das mein Vater mir
vermacht hat. Ich bin recht anspruchslos – wie man ja sehen kann –, also
reicht das vollkommen aus. Aber ich nutze dieses Zeitfenster, um einige
Experimente zu schreiben.«
    Â»Was kann man denn für Experimente schreiben ?«
    Die Wortwahl erstaunte Lara.
    Â»Zum Beispiel Gedichte, die sich selbst vorlesen. Aber
das ist noch nicht alles. Ich versuche irgendwas zu finden, womit ich auch
außerhalb von Ravinia mein Geld verdienen kann. Einen klassischen Roman zu
schreiben, wäre zum Beispiel etwas. Aber ich muss … sagen wir mal, etwas abspecken dabei. Wenn ich aus dem Vollen schöpfe, passieren
seltsame Dinge. Zum Beispiel können die Emotionen der Leser zu stark werden.
Oder andere Merkwürdigkeiten geschehen.«
    Robina betrachtete ihn skeptisch.
    Â»Das heißt, du versuchst einen Weg zu finden, dich
unter Wert zu verkaufen?«
    Â»Ich schätze, das ist ein wenig wie bei uns Schlüsselmachern«,
sagte Lara. »Wenn wir einen Schlüssel kopieren, tun wir ja schließlich auch
etwas, das eigentlich weit unter unseren Möglichkeiten liegt.«
    Â»Aber ihr bestreitet den Hauptteil eures Einkommens
damit, richtig?«, folgerte Patrick.
    Lara nickte.
    In gewisser Weise faszinierte sie der Schreiber. Er
wirkte so vertrauenerweckend auf sie.
    Aus dem batteriebetriebenen Gettoblaster tönte weiter
die Stimme von Robert Plant und in Lara begann der Herbstregen zu fallen – so
weit fort war sie in Epicordia von dem stickigen Sommer der Welt über ihr. Und
für dieses Gefühl war Lara mehr als empfänglich, seit jenem Tag, an dem der
alte Baltasar Quibbes ihr bewiesen hatte, dass es tatsächlich eigenartige
magische Schlüssel gab, die bestimmten, was hinter einer Tür wartete.
    Â»Wie ist es so hier unten?«, wollte Lara wissen. »Ich
meine, das Mondvolk steht ja nicht so besonders auf Besuch aus Ravinia.«
    Â»Stimmt. Begeistert sind sie nicht. Ich weiß auch
nicht so richtig, was ich mir dabei gedacht habe, aber irgendwie funktioniert
es. Hauptsächlich beruht mein gutes Verhältnis zum Mondvolk wohl darauf, dass
wir uns gegenseitig in Ruhe lassen.«
    Robina grinste verschmitzt.
    Â»Die meisten jedenfalls.«
    Â»Die Ausnahmen sind natürlich die besten«, grinste
Patrick zurück, ließ seine Augenbrauen einmal nach oben hüpfen und stand auf.
»Da fällt mir ein, dass ich meine Manieren offenbar auch oben in Ravinia
gelassen habe. Kann ich euch etwas anbieten? Tee,

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