Epicordia
anstatt etwas zu
unternehmen, schieben sich die Mondvolk-Clans offenbar lieber gegenseitig die
Schuld zu.«
»Wie absurd«, stellte Lara fest.
»Wie temperamentvoll«, säuselte Geneva.
»Auf jeden Fall ziemlich komisch«, beharrte Tom. »Aber
schauen wir mal, was wir noch so an seltsamen
Dingen herausfinden.«
»Apropos herausfinden«, sagte Lara. »Wo ist eigentlich
Ms Jones?«
»Der war schlecht«, meinte Geneva bloÃ. »Die hat ja
schon nichts zu Abend gegessen. Und als die
Bastianis während ihrer hitzigen Wohnzimmerdebatte nicht zur Ruhe und
noch weniger zu irgendeinem Ergebnis kamen, ist sie einfach ins Bett gegangen.«
Aha, dachte Lara. Na dann. Vielleicht war sie also
nicht die Einzige, die sich hier unten ziemlich blöd vorgekommen war.
Zumindest, bis sie Patrick getroffen hatteââ¦
4. Kapitel, das eine Menge Geschichten aus der Tiefe heraufholt.
Und ich steh auf und renne los und stoÃe blind
gegen die immer gleichen Fragen.
Die kleinen Teufel meiner Angst sind immer bei
mir
SchieÃen mir Pfeile in den Magen.
 Gisbert zu Knyphausen
Die Welt tanzt, wenn man es nur möchte.
Lara war schon immer schlecht darin gewesen, sich zum
frühen Aufstehen zu zwingen. Doch hatte sie ohnehin kaum eines ihrer
kastanienbraunen Augen zugetan. Diese Reise in die Dunkelheit hatte ihr bisher
weit mehr Herzklopfen bereitet als sie im ersten Moment für möglich gehalten
hätte. Und wie Tom es anstellte, mit so dermaÃen wenig Schlaf auszukommen,
würde ihr wohl auf immer und ewig ein Rätsel bleiben.
Als Lara die Treppe hinuntergekommen war, hatte Tom
bereits gefrühstückt, während Geneva gerade noch dabei war. Brauchten
Erwachsene weniger Schlaf? Dabei war Lara nominell mit ihren achtzehn Jahren ja
selbst schon erwachsen â und gleichzeitig noch so unendlich weit davon
entfernt.
Mit schweren Augen stürzte
sie eine Tasse Espresso hinunter, dann noch eine. Ihrer Umwelt gab sie mittels
ihrer Kopfhörer zu verstehen, dass nicht mit freundlichen Antworten zu rechnen
war. Nick Cave beschallte diesen viel zu frühen Morgen.
Sie verlieÃen die Villa des Bastiani-Clans, nachdem
Francesco und Myra Jones ebenfalls aufgetaucht waren, was aus Laras Sicht viel
zu schnell geschehen war. Lustlos an einer Brötchenhälfte knabbernd, folgte sie
ihren Begleitern nach drauÃen.
Epicordia hatte wirklich erstaunlich viel von der
Oberwelt. Ebenso wie sich des nachts eine bläuliche Dunkelheit über Elo legte,
machte sich am frühen Morgen eine Stimmung breit, die einem Sonnenaufgang wohl
am nächsten kam. Ohne Sonne wohlgemerkt. Und auch hier sammelten sich wabernde
Nebelschwaden, die in der bläulichen Morgendämmerung über dem Boden trieben.
Sie wurden von Francesco durch die langsam erwachenden
Gassen von Elo geführt und machten sich weiter an den Abstieg durch das
Höhlensystem, während die ersten Glühwürmchen anfingen, ihre schwerfällig
schwebenden Tänze wieder aufleben zu lassen, die â mitsamt den schimmernden
Moosen und Steinen â bald diese unterirdische Welt wieder in einen taghellen
Glanz tauchen würden.
Während ihre Expedition durch einige Seitentunnel bald
an Tiefe gewann, blieb Nick Cave vorerst Laras einziger akustischer Begleiter.
Unwillkürlich ertappte sie sich dabei, wie ihre Gedanken zu dem jungen
Schreiber drifteten. Er hatte versucht ihr zu erklären, warum er sich in
Epicordia aufhielt. Letztlich war es nichts
weiter als Neugierde und die Suche nach neuen Eindrücken, aber sie hatte ihn
nicht richtig verstehen können. So umgab ihn weiterhin etwas Geheimnisvolles
wie eine schimmernde Aura, und Lara interessierte es immens, hinter seine
Fassade zu blicken â wenngleich sie das unangenehme Gefühl hatte, dass Robina
Bastiani in dieser Hinsicht vielleicht schon einen entscheidenden Schritt
weiter war. Immerhin kannten die beiden sich schon erheblich länger.
Aber warum dachte sie überhaupt über so etwas nach.
Sie wischte ihre Gedanken zur Seite. Immerhin war sie wegen eines Jobs in
Epicordia. Und daran wurde sie genau in diesem Augenblick erinnert, da sie
wieder eine gröÃere Höhle betraten.
Sie war noch heller als die Herzhöhle. Das Licht in
ihr war beinahe so gleiÃend wie an einem heiÃen Sommertag.
»Das hier ist eines der Geheimnisse, die uns unsere
Unabhängigkeit sichern«, begann Francesco wieder mit seinen
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