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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Erklärungen, die
Lara an einen Touristenführer erinnerten. Herrgott, dachte sie. Es war an
diesem Morgen leicht, sie zu nerven.
    Â»Hier wachsen Steine, die UV -Licht
in ähnlicher Intensität und in ähnlichen Dosen aussondern wie die Sonne. So
können wir tatsächlich Ernten einfahren.«
    Er machte eine ausladende Handbewegung, die etwas
umfasste, was einem großzügigen Gemüsebeet wohl sehr nahekam.
    Â»Das hier existierende Ökosystem ist mit dem in Europa
in etwa vergleichbar«, fuhr Francesco fort. »Aber es regnet nicht so viel. Die
Luftfeuchtigkeit der Höhlen reicht jedoch vollkommen aus.«
    Ja, die Luftfeuchtigkeit war Lara nicht entgangen.
Ihre Haare waren am Abend vorher unangenehm strähnig gewesen. Und hätte sie
früher um den Besuch bei Patrick Davenport gewusst, hätte sie sie zuvor
gewaschen.
    Â»Wie viele von diesen Höhlen gibt es?«, fragte Tom
interessiert.
    Â»Genug«, sagte Francesco bloß und führte sie wieder in
einen Seitentunnel. Lara hatte aufgehört, die Abzweigungen und Stufen zu
zählen, die sie hinter sich gelassen hatten. Ohne Francesco würden sie
sicherlich nirgendwohin zurückfinden. Möglicherweise würden sie zurück an die
Oberfläche finden, wenn sie immer aufwärts gingen. Aber sicher war Lara sich da
nicht.
    Sie passierten weitere Ernte-Höhlen. Etwas, das Lara
völlig abstrus erschien. Das Mondvolk zog also tatsächlich Getreide und Gemüse
unter der Erde. Selbst an einem unterirdischen Hain voller Obstbäume kamen sie
vorbei, doch für die Gruppe gab es keine Pause, es ging bloß tiefer und tiefer
und tiefer.
    Manchmal gab es kleinere
Windstöße. »Tunnelwinde«, nannte Francesco die Böen, die
ihnen ab und an entgegenbliesen und das prächtige rote Haar der Kommissarin
verwirbelten, die vor ihnen herging.
    Myra Jones war wirklich hübsch, befand Lara ein
weiteres Mal. Stolz schritt sie mit ihren langen Beinen über den teils unebenen
Boden der Höhlen. Auch Geneva war elegant. Aber ihre Eleganz rührte von Talent
und der Ausbildung zu einer katzenhaften Nachtwächterin. Bei Myra schien es
irgendwie natürlicher, wenn auch nicht ganz. Wieso war diese schöne Frau so
schweigsam? Ständig schien eine Art melancholischer Glanz in ihren Augen zu
schimmern. War es vielleicht eine Eigenart von Lara, dass sie derartige Leute
anzog, die sich ihrerseits in einen seichten Schleier aus Melancholie hüllten?
Ihr Blick wanderte von einem Begleiter zum nächsten. Was waren die Geschichten
hinter ihren Gesichtern? Die wirklichen, wahren Geschichten, die so tief
gingen, dass sie ihre Wesenszüge formten? Sie betrachtete wieder die hübsche
Kommissarin in ihrem Trenchcoat. Wenn ihr eigenes Leben oft wie ein Herbstregen
war, wie war dann dasjenige von Myra Jones?

    Manchmal tanzt die Welt auch von allein. Mal
im Ballsaal, mal unter der Abendsonne und mal im Sturm.
    Wieder war einige Zeit vergangen, wieder waren sie
tiefer gestiegen. Mehrere Stunden waren sie nun wohl schon unterwegs. Francesco
hatte immer weniger erklärt, da sich die Wunder und Phänomene der Welt unter
Ravinia oftmals wiederholten. Ihre anderen Begleiter waren ebenfalls schweigsam
gewesen. Sei es, da sie es von Natur aus waren oder da sie staunten, so wie Geneva.
    Doch in die schläfrige Stille Epicordias mischte sich
bald ein Geräusch. Schabend und schleifend, klickernd und klackernd. Es wurde lauter, je weiter sie gingen, und
unheimlicher mit jedem Schritt.
    Schließlich blieb Francesco stehen. Die
Geräuschkulisse war bereits erheblich angeschwollen. Vor ihm hatte sich etwas
aufgebaut, das wie ein großes Insekt anmutete. Eine Sonnenanbeterin von der
Größe eines Hundes. Die Existenz eines solchen Wesens wäre Lara schon suspekt
genug gewesen – und hätte möglicherweise für einen beinahe mädchenhaften Anfall
von Ekel geführt. Doch das große Insekt vor ihnen schien vollständig aus
Mechaniken zu bestehen, so wie es ihnen bei Eusebius Lanchester berichtet
worden war. Filigrane Speichen, Zahnräder, Achsen und Drähte bildeten Gelenke,
Rumpf und Beine.
    Francesco stupste die Gottesanbeterin mit dem Fuß an,
wodurch diese sich genötigt sah, klackend und ratternd einige Schritte
zurückzuweichen.
    Â»Das ist wirklich
interessant«, murmelte Tom und trat näher an das mechanische Rieseninsekt
heran, um es genauer in Augenschein zu

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