Epicordia
fest auf die Wunde und
verknotete die Enden stramm auf ihrem Handrücken.
»Das war ziemlich dumm«, schalt er sie. »Glaubst du
etwa, ich habe aus Spaà gesagt, dass die Dinger nichts von sich preisgeben?«
Das Klicken und Rascheln wurde lauter und mit einem
Blick an Toms Schulter vorbei sah Lara, wie sich die mechanischen
Gottesanbeterinnen zu einem Schwarm formierten.
Myra Jones trat ebenfalls neben Geneva und zog einen
Revolver. Eine ähnliche Waffe, wie Lara sie schon früher bei Mr Falter und Mr
Cooper gesehen hatte.
»Nein, nein, nein«, rief Francesco und fischte
vergeblich nach dem abgerissenen Bein, doch Lara war mit ihrer gesunden Hand
schneller und hielt es auÃer Reichweite.
»Das ist eine völlig beschissene Idee von euch. Die
Viecher bringen uns um«, heulte Francesco auf.
In diesem Moment rasselte die geballte Kraft von
mehreren Dutzend wild gewordener Mechaniken los. Der Schwarm sprang und flog
auf sie zu.
Myra Jones feuerte ihre Revolvertrommel leer und
mehrere Male spritzten Zahnräder und Speichen aus den mechanischen Tieren
heraus. Zwei blieben liegen und schienen bewegungsunfähig. Schnell fischte die
Kommissarin neue Patronen aus ihrer Tasche, doch da prasselte der Schwarm schon
auf sie nieder.
Mit einer tödlichen
Drehung schraubte sich nun Geneva hinein in die vielgliedrige Wolke und
mechanische Teile flogen in alle Richtungen. Ihr goldenes Haar mit der grünen
Locke verschwamm, wie auch der Körper der Nachtwächterin, in einer Abfolge
unsagbar eleganter und tödlich präziser Bewegungen. Der Schwarm teilte sich in
einzelne Grüppchen, von denen eine direkt auf Lara und das ausgerissene
Fangbein zusprang.
»Nein.«
Tom schlug die erste Heuschrecke mit seiner Hand aus
der Luft und warf sich mit Lara zu Boden, bevor die nachfolgenden beiden sie
erreichten.
Ein Schlitzen ertönte und Tom schrie vor Schmerzen
auf.
»Das Bein!«, rief Francesco und schlug eine
Gottesanbeterin von Tom herunter. Er packte Laras Arm und bog ihr die Finger
auf, um ihr das Bein zu entreiÃen.
Gerade noch rechtzeitig, bevor sich eine der Kreaturen
daran machen konnte, Lara die Finger einzeln zu zerhacken.
In hohem Bogen warf Francesco das abgetrennte Glied in
Richtung des Schwarms, der sich gerade neu formierte und vor dem Geneva in
einem knöcheltiefen Metallhaufen ihr Schwert drohend kreisen lieÃ.
»Geneva«, rief Francesco. »Komm zurück!«
Im selben Augenblick fasste Myra Jones die
Nachtwächterin an der Hand und zerrte sie zurück.
Sofort beruhigten sich die mechanischen Insekten.
Teile des Schwarms lösten sich und begannen augenblicklich und in Windeseile
alle herumliegenden Teile einzusammeln und davonzutragen, tiefer und tiefer
hinein in die dahinter liegenden Höhlen und Gänge.
»Das gibtâs doch nicht«,
echauffierte Geneva sich kopfschüttelnd und etwas atemlos. Doch sobald sie
merkte, dass den Heuschrecken mit der Rückeroberung all ihrer Bestandteile
jegliche Kampfeslust abhanden gekommen war, drehte sie sich um und stürzte zu
Tom, der blutend am Boden lag.
»Nein«, wimmerte Lara, während sie über dem schwer
atmenden Tom kauerte. »Nein, nein.«
»Beiseite«, fauchte Geneva sie an und riss sie an der
Schulter zurück, nur um sich selbst über Tom zu beugen.
Mit wenigen geübten Bewegungen hatte sie Toms
Rollkragenpullover und das T -Shirt darunter
zerrissen und legte seinen Rücken frei. Zwei lange Schnitte erstreckten sich
von Toms Schulterblättern bis zu den Hüften.
Geneva atmete hörbar aus.
»Das sieht schlimmer aus, als es ist«, gab sie voller
Erleichterung von sich und machte sich daran, aus den Ãberresten von Toms
Oberbekleidung behelfsmäÃige Verbände zu basteln,
während Myra Jones und Francesco den Schlüsselmachermeister auf die Beine stellten.
Mühevoll hielt er sich aufrecht, schweiÃnass, zerzaust
und mit vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen, und erinnerte Lara auf einmal
wieder an den unnahbaren Mann, den sie einst in der Victoria Street
kennengelernt hatte.
Ein leicht pochender Schmerz meldete sich in ihrer
Hand zurück, während die Sturzfluten des Lebens einmal mehr über ihr
zusammenschlugen.
Sie hatte wieder alles falsch gemacht.
Keine Lügen mehr, um dahinter in Deckung zu
gehen. Keine Geschichten mehr, um die Tatsachen zu relativieren. Keine Worte
mehr, um die Dinge zu
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