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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Behandlung hatte
länger gedauert. Auch er war mit mehr Glück als Verstand aus der Sache
herausgekommen. Dass die Gottesanbeterinnen bei ihrer Jagd nach dem
ausgerissenen Bein keinen bedeutend größeren Schaden angerichtet hatten, war
Toms dickem Rollkragenpullover zu verdanken, den er in Epicordia trug. Im
Gegensatz zu den drückend sommerlichen Temperaturen an der Oberfläche waren die
Höhlen von Epicordia
angenehm kühl. Doch Lara hatte Tom im Alltag noch nie mit kurzärmeliger
Kleidung gesehen. Selbst im Sommer trug er meistens dunkle Hemden oder dünnere
Pullover und schien dabei so gut wie nicht zu schwitzen. So waren die Schnitte
der Gottesanbeterinnen zwar lang und schmerzhaft ausgefallen, doch Lippi hatte
erfreut festgestellt, dass Nerven und Muskeln nicht dauerhaft geschädigt worden
waren. Der Dottore hatte die Wunden mit einer Art Tacker geklammert, sodass
zwei parallele Linien quer über Toms Rücken verliefen. Er sah aus, als wäre er
ausgepeitscht worden. Und seinem Gesicht nach zu urteilen, war sein
persönliches Befinden offensichtlich nicht weit davon entfernt.
    Erschöpft war er ins Bett gegangen, obwohl der
Nachmittag gerade erst begonnen hatte. Der Dottore hatte ihn ausdrücklich
gemahnt, sich in den nächsten Tagen zu schonen.
    Und Lara?
    Lara hatte sich der
Gegenwart ihrer Zimmergenossin und – zu recht – stinksauren Freundin mit der
grünen Haarlocke entzogen. Und da sie keinen Schimmer gehabt hatte, an wen sie
sich wenden sollte an einem Ort wie diesem, an dem es für sie keine Freunde
gab, war sie schließlich zu Patrick Davenport gegangen, der sie verwirrt und
besorgt aufgenommen hatte.
    Â»Ganz ehrlich«, holte Patrick sie nun in die Gegenwart
zurück. »Hör auf, dir so einen Kopf darum zu machen!«
    Â»Aber es war doch saudämlich.«
    Patrick wand sich etwas.
    Â»Ja schon«, gestand er und
wischte sich eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn. »Aber sieh es mal so: Du
kannst dich jetzt stundenlang selbst beschäftigen, indem du dir immer und immer
wieder vorbetest, wie bescheuert du dich doch aufgeführt hast. Oder aber du
dankst wem auch immer dafür, dass ihr halbwegs heil aus dem ganzen Schlamassel
herausgekommen seid, und versuchst einfach, es in Zukunft besser zu machen.«
    Â»Aber das ist ja gerade das
Schlimme«, maulte Lara. »Ständig versuche ich, mich besser unter Kontrolle zu
haben, und jedes Mal vergeblich. Ich bin impulsiv, lasse mich von unbestimmten
Gefühlen leiten und bin schnell beleidigt.«
    Â»Aber«, ergänze Patrick, »du erkennst es immerhin.
Sagt man nicht, Einsicht sei der erste Schritt zur Besserung? Ich glaube, was
dir am meisten fehlt, Lara, ist Geduld. Du brauchst einfach ein wenig mehr
Geduld mit dir selbst.«
    Â»Mag sein.«
    Schweigend schlürfte sie ihren Tee. Er war noch heiß,
und das war gut. Und auch der junge Mann mit seinem unrasierten Gesicht und dem
braunen Wuschelkopf ihr gegenüber schwieg. Aufmunternd blinzelte er ihr zu.
    Schweigen war etwas, das man auch mit Tom Truska immer
konnte. Sehr gut sogar, denn es war mit eine der bestechendsten Eigenschaften
von Laras Meister, dass er nicht viele Worte brauchte, um die wichtigsten Dinge
auszudrücken.
    Aber das hier zwischen Patrick und ihr war … anders.
Nicht besser, nicht schlechter, sondern anders.
    So saßen sie da, eine ganze Weile. Und Patrick
Davenport ließ sie einfach sein, wer sie in diesem Moment war. So kläglich sie
sich auch fühlte, er tat, was ihr am meisten half: Er war einfach da.
    So schwamm einige Zeit lang der Nachmittag herein und
beruhigte Atem und Herz und klebte vorsichtig die ersten Pflaster über die
brennenden Wunden auf Laras Seele. Ganz zaghaft, vorsichtig, so wie ein guter
Arzt sein sollte.
    Dann fing es an zu grollen draußen. Erschrocken
suchten Laras Augen Patrick, aber der schien alles andere als beunruhigt zu
sein.
    Â»Ein Gewitter«, erklärter er, als sei es das Normalste
auf der Welt.
    Lara schaute verdutzt drein.
    Â»Ein Gewitter? Hier?«
    Patrick nickte nur, während es sich anhörte, als
fielen vereinzelt Regentropfen auf das Wellblechdach seiner Laube.
    Plitsch .
    Plitsch .
    So tröpfelte es über ihnen, erst seicht und leise,
dann immer dichter und lauter.
    Regen, dachte Lara und wusste, wie richtig sie doch in
diesem Moment an diesem Ort war. Ja, ihr Leben war ein Regen.
    Step out the front door like

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