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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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ihr«, fügte
sie hinzu. »Ich finde ebenfalls, dass wir diese ganzen Engstirnigkeiten ablegen
sollten.«
    Â»Schön«, sagte Francesco verdrießlich. »Mein Bedarf
ist für heute jedoch gedeckt. Ich gehe ins Bett. Ihr wisst ja sicher, wie ihr
wieder reinkommt.«
    Â»Keine Sorge«, versicherte Geneva ihm in ähnlich
säuerlichem Tonfall.
    Â»Gute Nacht«, erwiderte Francesco und verbeugte sich
knapp, dann schlug er die Kapuze an seinem Shirt hoch und verschwand in Richtung
Villa.
    Â»Mann, ihr beiden habt euch ja richtig gern, was?«,
frotzelte Lara.
    Â»Ach, sei still!«
    Â»Nein ehrlich, was soll denn das? Das ganze Gefasel
davon, dass du die Dinge genauso siehst.«
    Geneva fuhr herum. Wollte etwas sagen, tat es dann
aber doch nicht.
    Â»Komm, wir gehen schlafen«, brummte sie stattdessen
nur.
    Â»Nein, nein, nein«, widersprach Lara. »So einfach
kommst du mir nicht davon. Ich will erst eine Erklärung.«
    Und trotz der Dunkelheit konnte Lara spüren, wie
Geneva sie wütend anfunkelte. Sie hielt dem Blick der Nachtwächterin stand, der
bei Tageslicht sicherlich giftgrün gewesen wäre.
    Doch dann entspannte sich Geneva.
    Â»Also gut«, meinte sie. »Es nützt ja auch nichts, wenn
wir nun Krieg untereinander führen.«
    Lara hielt erwartungsvoll still.
    Â»Lass uns ein Stück gehen«, sagte Geneva schließlich
und Lara spürte, dass sie einen empfindlicheren Nerv getroffen hatte, als es
die bloße Eingeschnapptheit vermuten ließ. Irgendetwas Unausgesprochenes stand
zwischen Geneva und Francesco. Und die Antwort darauf war so einfach wie
bitter.
    Â»Es gab da ein paar Dinge,
die sich vor vielleicht neun oder
zehn Jahren zugetragen haben«, hob Geneva nach einer Weile an und erzählte schließlich ihre eigene,
leidgeprüfte Geschichte.
    Â»Ich war eine junge Nachtwächterin, gerade fertig mit
der Ausbildung, voller Tatendrang und Eifer. Gerne übernahm ich damals den
Nachtdienst in den Straßen unserer düstergoldenen Stadt, zündete die
Straßenlaternen an und rief die Stunden aus. Eines Nachts traf ich schließlich
Berrie am Rondell. Sie war ebenso jung und eifrig wie ich. Auch sie war noch
nicht lange fertig mit ihrer Lehre und versuchte trotzdem schon auf eigenen
Füßen zu stehen. Wir verstanden uns gut, zu gut vielleicht. Wir mochten
dieselben Witze und dieselben Filme und Bücher. Und irgendwann – ich weiß es
noch ziemlich gut, es war einer der wenigen eisgrauen Tage um Weihnachten
herum, an dem es tatsächlich in dicken Flocken schneite – ja, irgendwann an
jenem Tag gestanden wir uns auch ein, dass wir ineinander verliebt waren.
Gefühle sind wie ein Sturm, Lara.«
    Lara lauschte aufmerksam. Geneva lag sehr viel daran,
ihre Geschichte zu erzählen, das merkte sie.
    Â»Es folgten einige
wunderschöne Monate. Nie wieder hatte ich seither das Gefühl, mehr ich selbst
gewesen zu sein als zu jener Zeit. Doch die Menschen wären nicht sie selbst,
wenn sie sich berechenbar verhielten. Eines Nachts tauchte ein junger Mann im
Rondell auf, der – wie der Zufall es wollte, der sich manchmal eben auch
Schicksal nennt – seinen Weg zu uns fand. Francesco Bastiani war sein Name. Er
war voller Visionen und Ideen, versprühte Begeisterung mit jeder Faser seines
Körpers. Er wollte die lästigen Grenzen zwischen Epicordia und Ravinia
verwischen, wollte, dass die Menschen von Ravinia gemeinsam lebten mit all den
magischen Wesen, mit dem Mondvolk, ja selbst mit den Stadtvaganten.«
    Das erstaunte Lara. Hatte sie doch immer geglaubt,
Francesco habe Marcion von Anfang an nicht gemocht. Aber wer wusste schon, was
in all den Jahren vorgefallen sein mochte.
    Â»Und zu meinem Entsetzen begann
Berries Herz bald schneller für den jungen Mann aus dem Mondvolk zu schlagen
als für mich. Schließlich trennten wir uns und es zerriss mir das Herz in
tausend kleine Fetzen, die ich erst im Laufe der Jahre allmählich wieder
zusammensetzen konnte. Damals jedoch war ich erbost und verletzt. Ich passte
Francesco eines Nachts ab, aber er wollte nicht reden. Worüber auch, frage ich
mich heute. Doch ich war wie wild. Wir stritten uns eine Weile und während
dieses Streits habe ich eine Menge hässlicher Dinge gesagt. Sie waren unfair,
rassistisch und gemein.«
    Einen Augenblick lang war sie ruhig, nur ihr Atem ging
tief und sie rang um Beherrschung.
    Â»Seither ist das

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