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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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nächste Wand.
    Â»Was?«, zischte er gereizt. »War ich nicht deutlich
genug?«
    Lee war im Bruchteil einer Sekunde alle Farbe aus dem
Gesicht gewichen. Er wusste, dass er in seinem Übermut wahrscheinlich etwas zu
weit gegangen war. Wenn der Kommissar tatsächlich arbeitete, hätte er ihn
vielleicht in Frieden lassen sollen. Spot knurrte ihn leise an und Lee
erinnerte sich daran, gelesen zu haben, dass diese Terrier verflucht spitze
Zähne besaßen.
    Jemand huschte an Falter vorbei und tippte ihm dabei
auf die Schulter. Der Kommissar blickte sich nach dem Fremden um, der ihm still
bedeutete, ihm zu folgen. Falter ließ Lee einfach los.
    Lee riss sich zusammen und
klopfte sich den Dreck von der Jacke. Erst jetzt erkannte
er den anderen Mann. Er musste ein Nachtwächter sein. Er bewegte sich genauso
tödlich präzise, wie Geneva McNamar es immer tat. Außerdem trug er schwarze Lederkleidung und einen jener schlanken
Köcher, in denen sie ihre Waffen aufbewahrten. Zu zweit huschten der
Nachtwächter und der Kommissar zu einer der nächsten Häuserecken, gefolgt vom
eifrigen Spot.
    Doch Lee wäre nicht Lee gewesen, wenn er hätte an sich
halten können. So siegte im nächsten Atemzug Neugierde über Vernunft und er
lief ihnen hinterher, natürlich mit gebührendem Abstand. Später sollte er oft
an diesen Moment zurückdenken, und daran, wie vorschnell er gehandelt hatte.
Aber in diesen Sekunden betäubte ihn der Rausch des Adrenalins. Es war wie im
freien Fall.
    Er folgte ihnen eine Gasse weiter, wo sie sich an eine
Hauswand drückten, einen Moment zögerten und dann losstürmten. Blitzschnell zog
der Nachtwächter sein schlankes Schwert.
    Die beiden verschwanden aus Lees Sichtfeld und der
beschleunigte seinen Gang, rannte schließlich über das staubige
Kopfsteinpflaster. Jemand schrie auf, etwas klirrte. Lee stolperte und blieb an
der nächsten Häuserecke stehen.
    Was er sah, verschlug ihm den Atem.
    Â»Was machen Sie denn da?«, rief er fassungslos.
    Ein weiterer Nachtwächter war zu Falter und dem
Nachtwächter gestoßen und zu dritt bedrohten sie mit gezogenen Waffen mehrere
Personen, die Lee nicht erkennen konnte.
    Â»Lassen Sie den Jungen los!«, blaffte Falter.
»Sofort!«
    Jetzt sah Lee, wer sich in ihrer Mitte befand.
    Die Geschwister Skinner. Zwei erst halb geschminkte
Harlekine in ihren weiten Kleidern. Und ein strohblonder Junge von vielleicht
neun oder zehn Jahren.
    Was sollte das denn?
    Sarah Skinner ließ die Hand des Jungen los, der sich
vor Schreck auf den Boden kauerte.
    Wieso gingen Falter und die Nachtwächter denn derart
auf die Harlekine los?
    Auf einmal blitzte es auf. Eine grelle Wand aus Licht
riss den Kommissar und die Nachtwächter von den Füßen, Lee hielt sich schützend
den Arm vors Gesicht.
    Das war ein Lichtgeist gewesen. Ein ziemlich großer
Lichtgeist. Wer zum Teufel tat so etwas?
    Â»Kommt mit!«, rief da jemand, und die Stimme trieb Lee
einen Schauer über den Rücken. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor. Er
hatte –
    Doch bevor Lee sich erinnern konnte, waren die
Nachtwächter schon wieder auf den Beinen und irrten zwischen den gleißenden
Lichtschwaden herum. Spot knurrte und kläffte.
    Â»Jake?«, rief eine helle Frauenstimme offensichtlich
in Panik, das musste Sarah Skinner sein.
    Lee näherte sich dem Chaos vorsichtig. Er sah Falter
am Boden liegen, packte ihn und half ihm auf die Beine. Der Kommissar rieb sich
mit einer Hand die geblendeten Augen.
    Lee hörte einen dumpfen Schlag und gleich darauf
taumelte ein Nachtwächter gegen seinen Rücken, sodass Lee mit zu Boden gerissen
wurde. Hastig rappelte der sich wieder auf.
    Â»Jake!«, schrie Sarah erneut.
    Â»Kommt endlich«, drängte der Unbekannte.
    Der Junge schrie auf und weinte.
    Dann endlich ebbte das gleißende Licht ab und Lee
konnte einen hochgewachsenen Mann in einem schwarzen Kapuzenpulli erkennen, der
den schreienden Jungen hinter sich herzerrte. Der Mann hielt auf eine Haustür
zu, steckte einen Schlüssel hinein –
    Doch Lee rannte ihn um.
    Â»Lauf!«, rief Lee dem Jungen zu, aber der war wie
paralysiert. »Lauf endlich!«
    Dann umfasste eine Hand Lees Jackenkragen und zog
daran. Und jetzt erkannte er den Mann im Kapuzenpullover endlich.
    Â»Ma’Haraz«, hauchte Lee und war einen Wimpernschlag
lang wie erstarrt.
    Â» Du «, fauchte der Mann

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