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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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wieder auf die Veranda trat.
    Lees Gedanken rasten.
    Gut, dass Berrie nicht herausgefunden hatte, an was
Lee tatsächlich arbeitete. Die Sache mit dem Albtraum war noch nicht einmal
wirklich gelogen. Und dass er nicht wusste, woher dieser Albtraum kam,
eigentlich auch nicht. Doch woher der Traum stammte, war egal. Denn vielmehr
hätte die Rede von Träumen sein sollen. Es waren
mehrere.
    Lee hatte versucht, die Essenz von Albträumen zu isolieren. Das Experiment lag schon einige Tage zurück,
zuvor war er wochenlang auf Traumfang gewesen. Nun waberte in der Kristallkugel
ein beinahe undurchsichtiges, nebelhaftes Etwas, von dem Lee glaubte, es käme
der Essenz von Albträumen schon recht nahe. Jedoch hatte er noch keine Idee,
wie er herausfinden konnte, ob dies auch wirklich der Fall war, denn: Wie bekam
man die Essenz von Albträumen aus der Kugel, in der sie gefangen war?
Vielleicht konnte man sie mit einem Lichtgeist
hervorlocken. Doch dass das eine besonders sichere Methode war, bezweifelte
Lee.
    Er steckte die Kugel in eine Umhängetasche, außerdem
zwei weitere Kugeln, in denen er Lichtgeister gefangen hatte. Dann verkorkte er
die Flakons sachgemäß und stellte sie in das kleine Regal, das Berrie ihm für
seine Bedürfnisse zugestanden hatte und das natürlich ebenfalls mit ihren
merkwürdigen Kreiderunen vollgeschrieben war.
    Zwar durfte Lee mittlerweile weitestgehend allein
experimentieren, aber Berrie bestand darauf, dass es in ihrem Haus bzw. ihrer
Werkstatt geschah, solange Lee noch keine Gesellenprüfung abgelegt hatte. Und
bis dahin war es noch eine Weile hin. Auch
mit dem größten Talent wurde in Ravinia keinem Lehrling die
Gesellenprüfung abgenommen, wenn er nicht mindestens zweieinhalb Lehrjahre zu
verbuchen hatte. Und in dieser Zeitspanne schaffte es ohnehin so gut wie
niemand. Zwar waren die Meister-Lehrling-Verhältnisse bei den Wahrsagern oft
etwas ungewöhnlicher, als man es normalerweise bei Handwerkern oder ähnlichen
Berufen erwartete, dennoch war ein Meister immer in einem gewissen Umfang für das
verantwortlich, was sein Schützling anstellte.
    So hängte Lee sich den
Riemen der Tasche über die Schulter und verließ das Haus schnell wieder, bevor
Berrie irgendwelche weiteren Einwände erheben konnte. Er überquerte den Platz
in der Mitte des Rondells, da er mit Barker in einer Seitengasse verabredet
war. Auf seinem Weg erhaschte er weitere Blicke auf die wirklichen Attraktionen
dieses Tages. Die Bühne, auf der die Geschwister Skinner am Nachmittag ihre
atemberaubenden Kunststücke zum Besten geben würden, war schon errichtet und
vereinzelt trieben sich bereits Kinder und Eltern in ihrer Nähe herum – vermutlich,
um sich im Falle des Falles schnell einen der vorderen Plätze sichern zu
können. Zuckerwatte und andere Leckereien waren allgegenwärtig und wurden durch
die völlige Abwesenheit von Bienen und Wespen in Ravinia nur noch
begehrenswerter für die großen Kinderaugen.
    In der Mitte des Platzes wurde Holz für das große
Feuer am Abend aufgeschichtet, an dem Lee mit Liza verträumt Arm in Arm sitzen
und den Liedern der Barden lauschen würde.
    Schließlich bog er in eine Gasse ab, die zur Rückseite
der riesigen ehemaligen Wagenburg führte.
Hier befand sich der  Topf . Der Topf war eine Kneipe, deren Aufmachung sehr an einen Saloon
in einem Western-Film erinnerte. Luke, der Inhaber des Topfes ,
tat selbstverständlich auch alles dafür, diesen Eindruck aufrechtzuerhalten.
Arbeitsuniform war bei ihm ein kariertes Holzfällerhemd, Jeans und ein
Cowboy-Hut. Und wenn man über die Veranda durch die auf Hüfthöhe angebrachten Schwingtüren
des Topfes trat, fühlte man sich tatsächlich ein
wenig wie in einem alten Streifen mit John Wayne. Von dem verbogenen Kronleuchter aus Blech über die vielen runden Tische,
teils aus Fässern gebaut, bis hin zum verstimmten Klavier war alles genau so,
wie man sich einen Saloon vorstellte.
    Die echten Bohemiens des Rondells mieden den Topf , weil die Auswahl von Bourbon und süffigem Bier nicht
ihren so schein-elitären Ansprüchen genügten. Hier fand man eher die raueren
Burschen Ravinias wieder, wie die Bühnenbauer, die dieser Tage bei Luke
wohnten.
    Barker saß draußen auf der Veranda. Die langen, grauen
Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und seinen alten Akubra
hatte er tief ins

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