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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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größten
Potenzial. Dein Vater war sicherlich schon meisterlich gut, aber deine Mutter
war brillant, musst du wissen.«
    Â»Mein Vater hat Schlüssel gemacht.«
    Â»Das stimmt. Jedem Mechaniker liegen andere Dinge.
Aber deine Mutter konnte mit Uhren nahezu alles machen, was sie wollte.«
    Sie bogen ab. Jetzt war die alte Stadtmauer zu sehen,
die errichtet worden war, als noch niemand gewusst hatte, dass es dort draußen
keinerlei Feinde für die Menschen von Ravinia gab. Zumindest keine sichtbaren.
Denn den Bewohnern der düstergoldenen Stadt geschah nichts, sie waren innerhalb
Ravinias sicher und geborgen.
    Gefährlich wurde es erst,
wenn sie sich zum jenseitigen Ufer wagten. Wer einmal hinter den flirrenden
Hügelkämmen des jenseitigen Landes verschwunden war, der blieb verschwunden.
Definitiv.
    Â»Und wie war sie als Mensch?«
    Ein weiterer Seufzer entrang sich Alishas Kehle.
    Â»Kind, das ist nicht einfach. Was soll ich dir denn
nur sagen? Wie wunderbar sie gewesen ist, werden dir schon so viele gesagt
haben. Was könnte ich dir erzählen, ohne dass es dir oder mir wehtun würde?«
    Lara zuckte mit den Schultern und Alisha bemerkte,
dass die junge Frau mit dem bernsteinfarbenen Haar nicht lockerlassen würde.
    Â»Eines gäbe es vielleicht: Sie war eine ungemein
hübsche Frau. Na klar, das wirst du von Fotos wissen. Aber sie zu erleben, zu
sehen, wie ihre Augen leuchteten, wenn sie mit Zahnrädern und Federn hantierte,
ihr Lachen zu hören, wenn sie begeistert von etwas war … das … das machte aus
ihr eine unvergleichliche Person. Und jedes Bild und jede Erinnerung kann nicht
einmal zur Hälfte wiedergeben, was einem widerfuhr, wenn Layla McLane einen
anlächelte. Ihr Herz schlug für Ravinia, für das Uhrmachen, für …«
    Ihre Stimme versagte. Hinter den Regentropfen, die sie
trennten, war nicht zu erkennen, ob sich eine Träne in ihre Augen stahl, aber
Alisha Folders sagte kein Wort mehr. Zu sehr berührt von der Endlichkeit.
    Lara hingegen verletzte es lange nicht mehr so wie
früher einmal, keine Eltern mehr zu haben.
Irgendwann, nachdem sie Ravinia für sich entdeckt hatte, hatte sie
entschieden, Frieden mit den Umständen zu schließen, die sie zu dem gemacht
hatten, was sie war. Robert Garbow hatte ihr sehr dabei geholfen, sich nicht
ständig wie ein verkantetes Puzzleteil in einem riesigen Mosaik zu fühlen.
Natürlich, sie war immer noch kompliziert, manchmal unnahbar, melancholisch,
nachdenklich und sehr gerne mal auf einem zickigen Egotrip. Aber das alles
schien sich eher aus ihr selbst herausgeformt zu haben. Beileibe konnte niemand
behaupten, Lara wäre jemand, der seine Mitte bereits gefunden hatte. Am
wenigsten wohl sie selbst. Zu viele Konflikte um genau diese Suche focht sie
tagtäglich mit sich aus. Doch wie sie zu der Person geworden war, die sie aus
dem Spiegel jeden Morgen anblickte, war nicht mehr zu ändern. Zu ändern war nur, was vor ihr lag. So viel hatte Robert ihr
eingebläut – und sie wusste, dass er recht hatte.

    Lara hatte die hängenden Siedlungen zwar
schon mehrmals aus der Ferne erblickt, jedoch war sie nie selbst dort gewesen.
Dieser Umstand änderte sich nun.
    Sie waren durch einen der Türme hinauf auf die
Stadtmauer gestiegen. Wie so vieles in Ravinia wurde die Mauer nicht besonders
gepflegt. Von wem auch? Man hätte sicherlich jemanden dafür einstellen müssen
und dieser Jemand hätte auf diese Weise das Geheimnis von Ravinia in Erfahrung
gebracht.
    Â»Gibt es eigentlich Maurer in Ravinia?«, wollte Lara
wissen.
    Â»Wenige, wenn überhaupt«, sagte Patrick neben ihr.
»Ich persönlich habe nur von einem gehört. Meister Jeremie. Aber auch den habe
ich noch nie gesehen oder gar getroffen.«
    Â»Erzähl mir mehr!«
    Â»Da gibt es nicht viel«, sagte Patrick, während sie
über die feuchten Steine des Wehrganges gingen, in Pfützen patschten, bald
durchgeweicht bis auf die Knochen. »Außer seinem Haus.«
    Â»Aha?«
    Â»Man erzählt sich, Meister
Jeremie besitze irgendwo in Australien ein Haus. Sein
eigenes, ganz persönliches Meisterstück. Es ändert sich ständig. Wenn du es
betrittst, kann es aussehen wie ein normales Haus, und wenn du dich wieder
verabschiedest, ist eine Kirche oder Windmühle daraus geworden.«
    Â»Verrückt«, fand Lara. »Woher weißt du

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