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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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wir müssen es herausfinden. Um jeden Preis!«
    Ja, darin konnte sie Tom nur bedingungslos zustimmen.
    Â»Dann komm!«, forderte sie.
    Tom sah sie an.
    Â»Wir müssen einen Lügner enttarnen. Und dazu brauchen
wir jemanden, den man nicht belügen kann.«

    Das Leben konnte wie ein Herbstregen sein.
    Als sie die Tür aufschlossen, füllte sich das Innere
des kleinen Bauernhauses auf der Stelle mit einem Regenrauschen. Die Luft wurde
kühler und es fühlte sich völlig unwirklich an, wie dort kalte Luft aus der Tür
strömte, hinein in ihre sommerliche Umgebung.
    In Ravinia regnete es zum Steinerweichen. Grau legte
sich über den düstergoldenen Glanz der Rabenstadt und lief in Rinnsalen
zwischen dem Kopfsteinpflaster die Straßen hinab.
    Â»Ich könnte euch Regenschirme geben«, schlug Alisha
vor und nahm etwas aus einem Regal, das genauso gut ein Laserschwert aus Star Wars hätte sein können. Sie drückte auf einen Knopf
und es entfaltete sich mit mehreren eleganten Bewegungen, und begleitet von
einem Klicken und Rattern wurde es zu einem Schirm.
    Lara blickte zu Tom, dessen Miene wie versteinert
blieb. Allzu häufig war dies ein Anzeichen dafür, dass er keine besonders hohe
Meinung von etwas hatte. Aber wer mochte es ihm verdenken? Mit allzu lebendigen
Mechaniken dürfte er erst mal quitt sein. King Kong kletterte an Alisha hoch,
setzte sich auf ihre Schulter und fletschte seine winzigen Zähnchen in Toms
Richtung.
    Patrick hingegen nahm dankbar einen der Schirme
entgegen, Lara einen weiteren.
    Â»Tut mir leid«, meinte Alisha. »Ich habe nur zwei.«
    Â»Das macht nichts«, sagte Tom schnell. »Was ist mit
dir? Brauchst du keinen?«
    Â»Ich habe immer noch eine Regenjacke mit Kapuze. Und
was ist mit dir?«
    Â»Ich werde mich schon irgendwo drunterzwängen.«
    So traten sie nun hinaus, während sich auf dem
Fußboden von Alishas Haus bereits eine Regenpfütze zu bilden begann.
    Der Regen in Ravinia war
das Letzte gewesen, was Lara nach dem heißen Süden Frankreichs erwartet hätte.
Aber Ravinia war immer für eine Überraschung gut. Diesmal
also Regen statt Hitze. Na gut.
    Bereits nach wenigen Sekunden waren Laras Turnschuhe
völlig durchnässt. Tom klebten seine feuchten Haare in der Stirn und im Nacken,
sodass Patrick ihm ohne viel Aufsehen seinen Schirm in die Hand drückte. Er
selbst ging dicht neben Lara unter deren Regenschirm mit. Etwas, was Lara nicht
wirklich unsympathisch war.
    Sie dachte über Patrick
nach, während sie durch die beinahe menschenleeren Gassen hinunter in Richtung
der Verbotenen Brücke gingen. Patrick war ausgesprochen höflich, wirkte beinahe
ein wenig zu gut erzogen für sein seltsam alternatives Erscheinungsbild. Kaum
ein Wort hatte er von sich gegeben, während Tom oder Lara
sich in Frankreich Gedanken gemacht hatten, immer zurückhaltend und dennoch
umgänglich. Ein Gentleman verborgen hinter dem Äußeren eines Künstlers.
    Â»Was denkst du?«, fragte er in den Regen.
    Lara starrte ihn aus ihren Überlegungen gerissen an.
    Â»Du siehst so gedankenverloren aus«, stellte er fest.
»Über was grübelst du nach?«
    Â»Ãœber schlechtes Wetter«, nuschelte Lara und kam sich
schrecklich lächerlich vor, noch ehe die Worte über ihre Lippen gekommen waren.
    Patrick hingegen lächelte sie an und schwieg wieder.
    Nein, es gab tatsächlich Dinge, über die nachzugrübeln
sich lohnte, fiel Lara ein. Sie wandte sich zu Alisha um, die hinter ihnen mit
interessiertem Blick die Fassaden der Häuser mit ihrem abplatzenden gelben Putz
musterte.
    Â»Wie war sie?«, fragte sie.
    Â»Hm?«
    Alisha blickte sie irritiert an.
    Â»Meine Mutter«, erklärte Lara. »Wie war sie so als
Mensch?«
    Â»Oh«, Alisha blies Luft zwischen ihren Lippen
hindurch. »Das kommt jetzt etwas überraschend, weißt du?«
    Â»Ich würde es trotzdem gern wissen.«
    Da war er wieder. Dieser
milde, traurige Glanz in den Augen jener, die damals
stärker in die Geschehnisse um Roland Winter verwickelt gewesen waren.
    Â»Begabt«, meinte Alisha schließlich. Es klang still
zwischen all den Regentropfen.
    Â»Begabt?«
    Â»Ja, begabt«, wiederholte Alisha und seufzte dabei
schwermütig. »Layla Joel war die begabteste Mechanikerin, die ich jemals
kennengelernt habe. Oder sagen wir mal, sie war diejenige mit dem

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