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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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aus.
    Â»Hier wohnst du?«
    Es war mehr eine rhetorische Frage. Was wollten sie
sonst wohl in dieser Gegend?
    Â»So ungefähr zumindest«, bestätigte Patrick und warf
ihr ein charmantes Lächeln zu.
    Er schob das quietschende große Eisentor auf, hinter
dem sich das Kopfsteinpflaster der Straße noch bis zum Hauseingang fortsetzte.
    Â»Willkommen im Schandfleck
der ach so edlen adligen Oberstadt«, sagte er, doch es
klang nur gespielt bitter.
    Lara trat ein und er schloss das Tor hinter ihr.
    Ein kurzes Bellen erklang
rechts neben ihnen. Lara drehte den Kopf und sah einen großen Golden Retriever
gemächlich auf sie zutrotten. Hechelnd schlabberte er einmal über Patricks
Hand, rieb sich kurz an Laras Jeans und ließ sich von den beiden den Kopf
tätscheln, ehe er wieder in Richtung Haus verschwand.
    Â»Wer war das denn?«, wollte Lara neugierig wissen.
    Â»Das war Mr Jones«, erklärte Patrick – sein Lächeln
war ein wenig ins Wehmütige gedriftet. »Er ist schon alt.«
    Â»Mr Jones? Ein cooler Name für einen Hund.«
    Â»Er gehört Donald. Und bevor du fragst: Donald ist die
gute Seele des Hauses. So etwas wie ein moderner Butler, auch wenn er nicht
ständig im Frack herumläuft oder weiße Handschuhe trägt. Ohne ihn würde dies
alles hier wohl vollständig verfallen.«
    Lara blickte sich um. Ja, das Haus sah im Gegensatz zu
den anderen Villen wirklich alt aus. Und das nicht nur, weil das Gebäude
bestimmt seine hundertfünfzig Jahre gesehen hatte.
    Ihr Blick schweifte über
den Garten und die gemähte Rasenfläche, die sich, mit einigen Apfel- und
Kirschbäumen bestanden, in einer Biegung um die Villa zog.
    Â»Ist dies hier das letzte Haus vor den Klippen?«
    Patrick nickte.
    Â»Ja. Es liegt etwas abseits. Aber das ist mir recht,
sonst würden sich unsere versnobten Nachbarn wahrscheinlich noch mehr über
seinen Zustand aufregen, als sie es ohnehin schon tun.«
    Â»Können wir nach hinten gehen?«, fragte Lara.
    Â»Aber klar.«
    Und so schlenderten sie über den noch vom Regen feuchten Rasen, der duftete wie in einem Märchenwald,
während er langsam die Farbe in der Dämmerung verlor. Dicke, fette
Glühwürmchen schwirrten zwischen den Obstbäumen umher, unter denen sie
hindurchliefen. Auf der anderen Seite erstreckte sich der gusseiserne Zaun.
    Â»Sie haben ihn einmal ringsherum errichtet.«
    Patrick deutete auf den Zaun.
    Â»Vermutlich, um die Kinder vom Abhang fernzuhalten.«
    Und dann standen sie am Zaun. Sie hatten einen
wunderschönen Ausblick: Unter sich sahen sie die botanischen Gärten mit ihren
Gewächshäusern und wilden Plantagen voller geheimnisvoller und gefährlicher
Pflanzen. Lara erkannte die Mauer, die die Gärten vom Rest der Stadt trennte,
und das von den Gargylen bewachte Tor, durch das man die Synagoge und die
achteckige Bibliothek erreichte. Und hinter den Gärten rauschte der dunkle
Fluss mit seinen nahezu schwarzen Wassern. Die Grenze Ravinias. Niemand konnte
die Ufer auf der anderen Seite betreten und Lara hatte den Eindruck, dass
eigentlich niemand so genau wusste, warum nicht. Die Menschen hier hatten es
einfach so akzeptiert, wie es war.
    Â»Es muss zauberhaft gewesen sein, hier aufzuwachsen«,
hauchte sie schwärmerisch in die Abendluft hinein.
    Patrick legte ihr eine Hand auf die Schulter und sie
griff danach. Einfach, um sie zu berühren. Nichts weiter.
    Â»Es war auch anstrengend«, gestand er. »Aber du hast
recht. Ein wunderbarer Ort wie dieser entschädigt einen für vieles.«
    Â»Ein Ort zum Träumen«, fand sie.
    Â»Ein Ort, um sich in Träume zu flüchten, ja.«
    Lara drehte sich irritiert zu ihm um.
    Â»Was ist denn so unfassbar schlecht an diesem Haus,
dass du es so miesmachen musst?«, wollte sie wissen. »Du bist an einem
wunderschönen Ort in einer magischen Stadt aufgewachsen. Was wünscht man sich
mehr?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    Â»Weißt du«, meinte er, »vielleicht hätte ich all das
gerne getauscht gegen eine kleine Wohnung in einer nicht so magischen Stadt,
wenn das Leben dafür nicht so traurig gewesen wäre.«
    Â»Traurig?«
    Er hielt ihrem fragenden Blick eine Weile mit seinen
milden, verrückt verschiedenfarbigen Augen stand, dann wandte er sich ab.
    Â»Komm mit rein«, sagte er. »Vielleicht wirst du es
dort spüren.«
    Er schob die Hände in

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