Epicordia
Epicordia?«
»Das wäre eine Art Worst-Case-Szenario«, bestätigte
Lord Hester diesen Gedanken. »Ganz sicher wissen wir es natürlich nicht, aber
ich fasse es mal so zusammen: Jemand betreibt den Aufwand, in Epicordia etwas
vor den Städtern von Ravinia geheim zu halten. Am einzigen Ort, zu dem ihnen mit
gröÃter Gewissheit kein Zutritt gewährt würde, ganz egal, mit welchen Talenten,
mit welcher Gewalt und mit welchen sonstigen Mitteln sie es auch versuchen
würden. Sagt das Mondvolk Nein â und das ist beim derzeitigen diplomatischen
Stand ja wohl schwer anzunehmen â, wird niemand aus Ravinia dort unten
Zutritt erlangen. Ausnahmen wie die Kreidefrau und der junge Mr Davenport
bestätigen zwar die Regel, aber auch sie erträgt man dort nur mit gehörigem
Zähneknirschen.
Zusätzlich tauchen diese
Gottesanbeterinnen auf. Und die kann â wenn eure Recherche zutrifft â nur eine
Person gebaut haben: Ruben Goldstein. Seines Zeichens bekennender Sturmbringer
und jemand, der sich Ravinia besser nicht bei klarem Verstand
nähert. Und wenn ich es darüber hinaus richtig verstanden habe, existieren die
mechanischen Tierchen auch noch in einer Anzahl, die immense Mengen an Zeit und
Arbeitsaufwand erfordert, um sie überhaupt herzustellen.
Wenn wir also davon ausgehen, dass sich zumindest Mr
Goldstein dort unten eingerichtet hat â und zwar unter den aufgezählten Mühen
und VorsichtsmaÃnahmen â dann wird er dort unten ja wohl irgendetwas GroÃes
aushecken, oder?
Das mag aber nicht zwingend die Rückkehr Roland
Winters sein.«
Lord Hester machte eine bedeutungsschwere Pause und
blickte in die Runde.
»Nur, meine Lieben, selbst wenn es das nicht ist,
können wir doch davon ausgehen, dass es nicht zum Wohle Ravinias geschieht.«
Tom stöhnte und verzog das Gesicht. Seine Wunden
schienen ihm zu schaffen zu machen. Trotzdem antwortete er dem Lord verbissen.
»Toll«, sagte er und klatschte in sarkastischem
Applaus in die Hände. »Wunderbar, diese Zusammenfassung. Das heiÃt, dort unten
geschieht irgendein riesengroÃer Mist â vielleicht sogar irgendetwas mit Roland
Winter höchstpersönlich. Und wir sitzen hier in Ravinia und können absolut
nichts tun, auÃer zu warten und zu hoffen?«
»Nun, ganz so würde ich es nicht betrachten«,
vermeldete der Rabenlord. »Wir können uns immer noch vorbereiten. Und wir
können Kraft sammeln. Denn die werden wir brauchen, sollte dieser schlimmste
aller Fälle eintreten.«
Er bedeutete ihnen, sich zu erheben.
»Lenkt euch ab«, sagte er. »Wenigstens heute Nacht.
Ich werde versuchen, einige gewichtige Leute zu sensibilisieren. Hier und da
hat meine Stimme ja immerhin noch ein gewisses Gewicht.«
Ungläubig blickte Lara ihn an und selbstverständlich
bohrte sie nach, sonst wäre sie nicht Lara McLane gewesen.
Am Ende entlieà der Lord sie in den lauen
Sommerabend. Vor ihnen lag eine Nacht, in der sie nicht wussten, was sie mit
sich anfangen sollten.
Das Schlimmste jedoch war,
tief im Innern die Gewissheit zu spüren, dass der Lord recht hatte. Vielleicht
war es tatsächlich das Beste, sich zu sammeln, alle Kräfte beieinanderzuhaben,
sich innerlich vorzubereiten auf den schlimmsten Fall.
Glühwürmchenschimmer funkelten über dem
Burghof und der Regen hatte endlich, endlich aufgegeben, als Lara und Patrick
den Bergfried verlieÃen und ins Freie traten.
Lord Hester begleitete sie
hinaus. Den protestierenden Tom hatte er mehr oder weniger direkt ins Bett
geschickt. Tom war in Anbetracht seines Zustands schon viel zu lange auf den
Beinen gewesen. Unter gewöhnlichen Umständen hätte Lara sich ein schelmisches
Grinsen nicht verkneifen können, als Tom sich geschlagen gegeben und schlurfend
den Heimweg über den Hof angetreten hatte. Doch er machte einen ganz und gar
nicht gesunden Eindruck. Er war noch blasser als ohnehin und auf seiner Stirn
hatte sich Schweià gesammelt, den er viel zu häufig mit dem Ãrmel fortwischte.
»Er wird nicht schlafen können«, meinte Patrick
beinahe mitleidig und fügte hinzu: »Ich könnte es nicht. Ich würde grübeln und
grübeln und grübeln. SchlieÃlich liegt so viel in unserer Hand.«
Doch Lord Hester schenkte ihm bloà sein gutmütiges
GroÃvaterlächeln.
»Tom ist sehr wichtig für die Stadt. Weit wichtiger,
als ihr
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