Epicordia
Folders?«
»Natürlich, wie könnte ich das vergessen? Sie haben
ihren Terror als Waffe eingesetzt.«
»Richtig«, nickte Lord Hester. »Die Angst der Menschen
ist ein sehr schwerwiegender Faktor.«
»Aber trotzdem«, wandte Alisha ein. »Ruben Goldstein
und MaâHaraz mögen ja auÃergewöhnlich talentiert sein und zur Not auch eine
Menge physische Gewalt zusammenbringen â aber ohne jemanden wie Winter im
Rücken wären ihre Bemühungen doch relativ aussichtslos. Winter ist jemand, mit
dem es niemand aufnehmen kann. Er beherrscht den Wind und wer weiÃ, welche
Dinge noch? Roland Winter könnte ganze Heerscharen in Schach halten.«
Lord Hester nickte weiterhin, um ihr zur
signalisieren, dass er ihr folgte.
»Was wäre, wenn sie blufften?«, fragte er.
Alisha schüttelte energisch den Kopf.
»Denken Sie selbst nach«, meinte sie. »Schon die
Nachtwächter würden sich nicht von einem Bluff täuschen lassen. Würde man ihnen
sagen, Winter wäre zurück und bedrohe alle, würden sie aktiv werden und
herausfinden wollen, wie viel an dieser Geschichte dran ist.«
»Und was wäre mit einer Armee der mechanischen
Gottesanbeterinnen, die Sie alle mir hier so trefflich beschrieben haben?«
»Vermutlich würden die Nachtwächter auch mit denen
fertigwerden.«
»Also ist die einzige
andere Möglichkeit die, dass Winter damals in Highgate überlebt hat«,
schlussfolgerte Lord Hester.
Alles um ihn herum schwieg für einige Sekunden. Selbst
die Raben im Gebälk lieÃen keinen Laut vernehmen, nicht das leiseste
Flügelschlagen.
SchlieÃlich regte Tom sich.
»Nein«, sagte er entschieden. »Das kann nicht sein.
Dieses Ding, das er geworden ist, nachdem er die gefrorene Melodie verloren
hatteâ⦠es hätte keine drei Tage überlebt.«
»AuÃer«, dachte Lord Hester den Gedanken laut zu Ende,
»auÃer, die Sturmbringer hatten damals schon längst einen Plan B. Irgendetwas,
um ihn am Leben zu halten.«
»Dann wäre Winter aber bereits zurückgekehrt.«
»Das ist wohl zu vermuten â oder er regeneriert nur
langsam und ist noch nicht bereit dafür.«
»Aber was könnten die Sturmbringer dann von Winter
wollen? Ich meine, wenn er nicht stark genug ist?«
»Aber das würde er in diesem Fall ja irgendwann
werden, Tom.« Lord Hester bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick.
Patrick schaltete sich ein.
»Ich glaube â«, begann er, um sich eilig selbst zu
unterbrechen: »Pardon, Lord Hester, wenn ich so forsch das Wort ergreife. Also
ich glaube, sie können nicht anders.«
»Wie bitte?«
Lord Hester bedeutete Tom, der erregt aufgesprungen
war, sich zu setzen.
»Lass ihn ausreden, Tom!«
Patrick räusperte sich â er wirkte ein wenig nervös.
»Ichâ⦠ich denke, wenn ich
die Erinnerung von Meister MaâHaraz richtig deute, dann kann er vielleicht gar
nicht anders, als Winter zu helfen. Vielleicht ist dies kein einfältiger
Treueschwur, den sie sich in die Haut tätowieren haben lassen. Vielleicht sind es
individuell verfasste Gedichte. Nein, ziemlich sicher sind sie das. Was sollte
die Aktion mit der Tätowierung sonst bedeuten? Ein Gedicht von Winter für
seinen treuen Anhänger. Damit kann er ihn untrennbar an sich binden und ihn
zwingen, zu ihm zu halten. Ein magisches Gedicht, unter die Haut gestochen von
einem magischen Tätowierer.
MaâHaraz könnte folglich gar nicht gegen Winters
Interessen handeln, selbst wenn er wollte. Das Gedicht würde ihn quälen. Er
würde sich fühlen wieâ⦠wie ein Junkie auf Entzug. Schlimmer und schlimmer und
schlimmer. Vielleicht muss er auf Winters Genesung
hinarbeiten.«
Der Rabenlord sah den jungen Schreiber ernst an.
»Und du meinst, die Sturmbringer könnten tatsächlich
wieder versuchen, Ravinia ihren Willen aufzuzwingen?«
Patrick hob verlegen die Schultern.
»Ich weià es nicht. Sagen Sie es mir! Wenn es so ist,
wie ich denke, dann hätten sie ihn aber sicherlich nicht so einfach sterben
lassen können.«
Ratlosigkeit schwappte einmal mehr in den Raum, flutete
ihn wie kristallklares eiskaltes Wasser.
»Unterm Strich heiÃt es
also«, resümierte Tom, »dass es sehr wohl sein könnte, dass irgendwo Roland
Winters erneute Auferstehung
vorbereitet wird? Möglicherweise in
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