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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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und
verschluckte.
    Ma’Haraz nickte anerkennend.
    Â»Der Graue Lord hätte bestimmt Verwendung für einen
einfallsreichen Querkopf wie dich«, kommentierte er Patricks Kunststück. »Doch
was machst du, wenn ich den Feuergeistern befehle, euch von allen Seiten
gleichzeitig anzugreifen?«
    Er bekam keine Antwort.
    Â»So, so«, lächelte er dünn. » Die
phantastischen Vier haben also ausgesorgt? Seht es doch endlich ein, ihr
habt nicht den Hauch einer Chance.«
    Â»Natürlich haben wir den, du dreckiger Bastard«, rief
Lee. Er hielt die nachtschwarze Kugel in Stoff gewickelt in seiner unverletzten
Hand, hoch über den Kopf erhoben. Dann schmetterte er sie mit aller Gewalt auf
das Kopfsteinpflaster vor Ma’Haraz.
    Diesmal zersplitterte sie, mitternachtsdunkler Rauch
waberte daraus hervor und schien in den Boden zu sickern.
    Schnell nahm Lee das
Amulett aus seiner verbrannten Hand und warf es in die Dunkelheit zwischen
ihnen. Der Rauch umhüllte es, als wollte er es auffressen. Schließlich sickerte
das dunkle Zeug zwischen den Steinen in den Boden und ließ
das Amulett zerbeult zurück.
    Es war nichts mehr da,
weswegen Ma’Haraz sie nun hätte bedrohen können. Keine eingefangenen Albträume, kein Amulett, das Geister verschlang. Ma’Haraz’ Zorn
würde unermesslich sein, doch …
    Ãœber ihnen krächzte einsam ein Rabe. Ein zweiter
stimmte ein und bald ein dritter. Schnell hatte sich ein vielstimmiger Chor aus
Rabenstimmen erhoben und die schwarz gefiederten Vögel nahmen nacheinander und
sehr zahlreich auf den Dächern und Regenrinnen der umliegenden Häuser Platz.
    Â»Aha«, murmelte Ma’Haraz, denn er wusste genau, was
die Ankunft von immer mehr und mehr Raben zu bedeuten hatte.
    Â»Nun gut«, er blickte Lee an. »Einigen wir uns auf ein
Unentschieden. Keiner von uns hat, was der andere begehrt.«
    Damit drehte er sich um.
    Seine Flügel umfingen sie nicht mehr und die
Flammenwände um sie herum erloschen. Nur von hinten sahen sie noch, wie die
Flammenflügel aus Ma’Haraz Rücken ragten. Dieser schloss nun die nächstbeste
Tür auf und trat hindurch, wobei seine flammenden Diener erloschen.
    Sobald er die Tür hinter sich zugezogen hatte, war
alles vorbei.
    Patrick sog hörbar die Luft ein.
    Und Lara begann das Durcheinander um sie herum wieder
wahrzunehmen, nachdem ihr dunkler Widersacher von dannen gezogen war.
    Ein Chaos aus Geräuschen und Gerüchen, aus Schmerz und
Tränen.
    Und aus Erleichterung.

    Die Sirenen heulten wie hungrige Raubtiere
durch die Nacht von Edinburgh.
    Sie nahmen Lee mit fort. Irgendwohin, in irgendein
Krankenhaus. Lara konnte ganz langsam wieder denken. Zitternd und in eine
Fleecedecke gehüllt stand sie auf der Schwelle des Schlüsselladens und sah in
die Richtung, in die der Krankenwagen verschwunden war. Und mit ihm Lee.
    Lara schauderte. Die Tapferen opferten sich und sie
blieb unversehrt zurück – das kannte sie doch.
    Zwar pochte ihre verletzte Hand unter dem mittlerweile
von Dreck und Ruß verschmierten Verband, doch diese Schmerzen waren auszuhalten
– im Gegensatz zu den Zweifeln, die an ihr nagten.
    Henry McLane legte ihr von hinten die Hände auf die
Schultern.
    Â»Grausame Zeiten, oder?«,
fragte er in die Nacht hinein. Die Lebensfreude, die sonst jedes Wort des alten
Mannes durchdrang, war nicht mehr zu spüren. Jetzt war er es, der einfach bloß
da war. Vor fast achtzehn Jahren war er an die Stelle von Laras Eltern
getreten. Bereitwillig hatte er sich in die für ihn so schmerzhaften Umstände
gefügt, die eigene Frau und den eigenen Sohn verloren zu
haben. Und trotzdem hatte ihm seine Enkelin die Kraft verliehen,
weiterzumachen, sich nicht unterkriegen zu lassen und einfach da zu sein.
    Die vielen Raben hinter dem Rondell hatten
selbstverständlich Lord Hester angekündigt. Doch der hatte Ma’Haraz nicht mehr
angetroffen. Der dunkle Wahrsagermeister war trotz all seiner Macht – die
diejenige seiner jungen Kontrahenten um ein
Vielfaches übertraf – nicht gewillt gewesen, dem Rabenlord
gegenüberzutreten. Nicht noch einmal. Seine Konfrontation mit Lord Hester vor
zwei Jahren hatte er nicht vergessen. Und auch nicht, dass er nur durch
waghalsige Improvisation mit heiler Haut davongekommen war.
    Die phantastischen Vier hatte der dunkle Wahrsager seine jungen Widersacher genannt, bevor er
gegangen war.

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