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Epicordia

Epicordia

Titel: Epicordia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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abtrug.
    Â»Ich … ich verstehe nicht.«
    Lara war verunsichert,
während Ma’Haraz die Hände in die Manteltaschen steckte und langsam einen Bogen um sie herum machte. Lee verfolgte ihn mit giftigen
Blicken und trat demonstrativ an Laras Seite.
    Â»Lara McLane«, setzte der dunkle Wahrsagermeister
erneut an. »Hast du niemals überlegt, warum ausgerechnet du Roland Winter aus dem Bild befreien konntest? Ich meine, was hattest du denn
schon großartig mit ihm zu tun? Immerhin warst du noch ein Kind, als das alles
passierte. Du bist keine Schreiberin. Warum also konntest ausgerechnet du das Gedicht zum Leben erwecken?«
    Die Flammenflügel schossen erneut hinter Ma’Haraz
hervor, breiteten sich aus und schlossen sie alle drei in einem infernalischen
Kreis aus loderndem Chaos ein. Die Flammen leckten an den umstehenden
Hauswänden, doch kein Fenster wurde aufgerissen und niemand schrie – sie waren
alle fort, um das Rondell zu retten.
    Und Lara beschlich langsam aber sicher Panik. Panik
vor dem, was der Wahrsager mit den Flammenflügeln ihr erzählen mochte.
    Â»Elisabeth Joel hat Winter weggesperrt«, schrie sie
ihn über das tobende Rauschen des Flammenkreises hinweg an. »Ich bin ihre
Enkeltochter und deshalb konnte ich das tun.«
    Ma’Haraz schüttelte mit einem süffisanten Lächeln den
Kopf und blickte mit seinen dunklen Augen direkt in Laras Seele. Die Hitze der
sie umgebenden Flammen nahm ihr den Atem, ließ sie husten.
    Â»Natürlich bist du ihre
Enkelin. Aber denk doch nach: Warum
hat sich Winter überhaupt von ihr in die Falle locken lassen, Lara? Wie konnte
der größte Schreiber der Geschichte dieser Stadt so töricht sein und sich von
einem Gedicht übertölpeln lassen?«
    Laras Unterbewusstsein begann zu ahnen, worauf er
hinauswollte, aber sie wehrte sich verzweifelt dagegen, den Gedanken in ihren
Kopf zu lassen.
    Â»Elisabeth Joel und Roland Winter waren einst ein
Paar«, führte Ma’Haraz zu Ende, was er angefangen hatte. »Du bist nicht nur
Elisabeth Joels Enkeltochter, sondern auch die von Roland Winter. In deinen
Venen fließt das gleiche Blut wie in denen des Grauen Lords.«
    Â»Nein«, schrie Lara und ging in die Knie. »Nein,
nein.«
    Lee legte ihr den Arm um die Schulter, doch sie spürte
nichts.
    Â»Du bist keine Schreiberin, Lara McLane«, sagte
Ma’Haraz und es lag beinahe so etwas wie Bedauern in seiner Stimme. »Du bist eine
Mechanikerin, eine Schlüsselmacherin. Und du weißt, dass jeder Mensch nur das
Talent für eine der sieben Zünfte Ravinias mit sich bringt. Woher solltest du
also sonst die Fähigkeit haben, jemanden mittels eines Gedichtes aus einem Bild
zu lesen? Das ging nur, weil dich etwas Starkes mit dem gefangenen Grauen Lord
verbindet. Und das tut es. Ihr teilt das gleiche Blut: Elisabeth Joel und
Roland Winter haben sich geliebt vor langer Zeit. So hat er sie auch damals auf
dem Highgate-Friedhof gefunden. Die beiden hätten einander immer und zu jeder
Zeit gefunden, überall auf der ganzen Welt.«
    Â»Und deshalb musste sie sterben?«, fragte Lee
ungläubig. Niemals hätte Lara erwartet, so viel Bitterkeit angesichts der
unfairen Welt aus Lees Worten zu hören.
    Langsam richtete er sich auf, während Lara betäubt von
Worten und Wirklichkeiten vor ihm auf dem Boden hocken blieb und mit
tränenerfüllten Augen auf den dunklen Wahrsager blickte.
    Bittere Vergangenheit gegen bittere Vergangenheit, so
hatte das Spiel begonnen. Und sie hatte ihren Gegner unterschätzt und war mit
einem Kantersieg vom Spielfeld gefegt worden. Der Herbstregen war verklungen
und zurück blieben schwarze Löcher in der Welt, dort wo einst Pfützen gewesen
waren.
    Um sie herum loderte der Flammenkreis höher und höher
auf. Doch Lara fühlte sich bloß, als hätte man ihr einen dumpfen Schlag auf den
Kopf gegeben. Ihre Gefühlswelt weigerte sich gegen das, was der Verstand schon
akzeptierte – wie eine schmerzende Lähmung.
    Â»Du bist nicht dumm, Lehrling. Aber nun gut, bringen
wir es endlich zu Ende. Gib mir die Kugel!«
    Â»Nein«, fasste Lee sich erneut ein Herz. Trotzig stand
er dort, die Hände nicht erhoben, aber entschlossen zu Fäusten geballt. »Sie
können mir nichts tun. Ich habe Ihr Amulett, es schützt mich vor Lichtgeistern.
Und vor Feuergeistern ganz bestimmt auch.«
    Lara bekam nur am Rande

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