Episode I - Die dunkle Bedrohung
Stiefel, Waffengurt und andere Gürtel, Schutzbrille, Atemmaske und um den Kopf geschlungene Tücher und ein Blastergewehr, das einen Meter von einem ausgestreckten Arm entfernt am Boden lag. Eine frische Narbe an der Felsenklippe zeugte von einer Geröllawine. Der Tusken hatte sich vermutlich am Rand der Schlucht versteckt, als der Felsen unter ihm nachgegeben und ihn nach seinem Sturz begraben hatte.
Anakin brachte den Gleiter zum Stehen und kletterte hinaus.
»Master Anakin, ich glaube nicht, daß das eine gute Idee ist!« erklärte C-3PO in heftig tadelndem Tonfall.
»Ich will ihn mir nur mal ansehen, das ist alles«, wiederholte der Junge.
Er war nervös und hatte ein wenig Angst, aber er hatte noch nie einen Tusken aus der Nähe gesehen, obwohl er mit den Geschichten über sie aufgewachsen war. Die Tusken waren ein zurückgezogen lebendes, wildes Nomadenvolk, das die Wüste als seinen eigenen Lebensraum beanspruchte und von jenen lebte, die dumm genug waren, sich unvorbereitet auf ihr Territorium zu wagen. Zu Fuß oder auf dem Rücken der wilden Banthas, die sie sich aus dem Ödland holten, zogen sie, wohin immer sie wollten, überfielen einsam gelegene Häuser und Wegstationen, lauerten Karawanen auf, stahlen Waren und Ausrüstung und terrorisierten ganz allgemein alle, die versuchten, die Wüste zu durchqueren. Hin und wieder hatten sie sogar die Hutts angegriffen. Die Einwohner von Mos Espa -alles andere als ehrenwerte Bürger - haßten die Sandleute wie die Pest.
Anakin wußte noch nicht recht, was er über sie denken sollte. Die Geschichten waren erschreckend, aber er wußte genug vom Leben, daß ihm auch klar war, daß jede Geschichte zwei Seiten hatte und man meist nur eine von beiden zu hören bekam. Er war fasziniert von dem wilden, freien Leben der Tus-ken, einem Leben ohne Verantwortung und Grenzen, von einer Gemeinschaft, in der alle gleich waren.
Er ließ den Gleiter stehen und ging auf den gestürzten Piraten zu. 3-PO hörte nicht auf, ihn zu ermahnen und zu warnen, daß er einen schrecklichen Fehler machte. In Wahrheit war sich Anakin alles andere als sicher, ob der Droide nicht recht hatte. Aber seine Neugier war größer als seine Furcht. Was könnte es schon schaden, sich das einmal anzusehen? Die Tatsache, daß er ein neunjähriger Junge war, gewann die Oberhand. Er würde seinen Freunden erzählen können, daß er einen der Sandleute von ganz nah gesehen habe. Er würde ihnen erzählen können, wie sie wirklich aussahen.
Der Tusken lag auf dem Bauch, die Arme ausgestreckt, den Kopf auf die Seite gedreht. Der größte Teil seines Unterkörpers war unter Steinen und Schutt begraben. Ein Bein lag unter einem großen Felsen eingeklemmt. Anakin schlich sich näher zu dem Blastergewehr, dann griff er nach unten und hob es auf. Es war schwer und unhandlich. Ein Mann würde stark und geschickt sein müssen, um damit umzugehen, dachte er. Er bemerkte die seltsamen Schnitzereien am Kolben - vielleicht Stammeszeichen. Er hatte gehört, daß die Tusken ein Stammesvolk waren.
Plötzlich rührte sich der Gestürzte, zog einen Arm an, stützte sich auf und hob den in Stoff gewickelten Kopf. Hinter halbdurchsichtigen Schutzbrillengläsern starrte er Anakin an. Automatisch wich der Junge zurück. Aber der Tusken starrte ihn nur einen Augenblick lang an, registrierte, wer er war und was er tat, und legte dann den Kopf wieder hin.
Anakin Skywalker wartete und fragte sich, was er tun sollte. Er wußte, was Watto sagen würde. Er wußte, was fast jeder sagen würde. Mach, daß du wegkommst! Sofort! Er legte das Blastergewehr wieder hin. Das hier ging ihn nichts an. Er trat einen Schritt zurück, dann noch einen.
Der Tusken hob abermals den Kopf und starrte ihn an. Ana-kin starrte zurück. Er konnte den Schmerz im Blick des anderen spüren. Er spürte seine Verzweiflung, gefangen und hilflos unter diesem Felsen, seiner Waffe und seiner Freiheit beraubt.
Anakin runzelte die Stirn. Würde auch seine Mutter ihm sagen, er sollte sich umdrehen und weggehen? Was würde sie sagen, wenn sie hier wäre?
»Threepio«, rief er dem Droiden zu. »Bring die anderen hier rüber.«
Unter heftigen Protesten versammelte C-3PO die neuerworbenen Droiden und führte sie dorthin, wo der Junge den gestürzten Tusken anstarrte. Anakin befahl ihnen, die kleineren Felsen und Steine wegzuräumen, dann nutzte er einen Hebel und das Gewicht des Gleiters, um den großen Felsen hoch genug zu stemmen, daß sie den Mann darunter
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