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ePub: Der letzte Zauberlehrling

ePub: Der letzte Zauberlehrling

Titel: ePub: Der letzte Zauberlehrling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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ihren würdevollen Ausdruck zu bewahren versuchten. Ab und zu tauchten auch kleine, kastenförmige Automobile im Verkehr auf, deren Karosserie aus Holz gefertigt war und die gerade einmal Platz für zwei Personen boten. An den Straßenrändern standen hier und da glänzende Limousinen, neben denen Fahrer in Uniform auf ihre Fahrgäste warteten.
    Wir fuhren an prächtigen Restaurants vorbei, vor denen die Menschen in langen Warteschlangen anstanden, und an großen Warenhäusern, deren Schaufenster mit luxuriösen Waren gefüllt waren. Wir überquerten riesige Plätze mit Denkmälern und Statuen in der Mitte, die an Ausmaßen den Gebäuden in nichts nachstanden.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es wohl sein mochte, im siebten oder achten Stockwerk zu wohnen. Bei uns auf dem Land gab es keine Häuser, die höher waren als zwei Etagen. Wurde einem nicht schwindlig, wenn man aus so großer Höhe in die Tiefe blickte? Und was war das für ein Gefühl,zwischen seinen Füßen und dem Erdboden einen Abstand von zwanzig Metern oder mehr zu haben?
    »Champs-Élysées!«, rief der Schaffner schließlich und zog an einer Leine, die unter dem Dach entlanglief. Der Fahrer manövrierte den Bus an den Straßenrand.
    »Los, los, aussteigen«, scheuchte der Schaffner uns auf. »Das hier ist die Haltestelle des Grand Palais.«
    Wir griffen unsere Habseligkeiten und sprangen die Treppe hinunter. Der Letzte von uns hatte kaum die Füße auf dem Pflaster, da fuhr der Bus auch schon wieder an und bahnte sich seinen Weg zurück in das Fahrzeuggewühl.
    Ein Mann rempelte mich an und warf mir einen ärgerlichen Blick zu. Meinen Begleitern ging es nicht anders. Von beiden Seiten marschierten die Passanten, wie von unsichtbaren Fäden gezogen, auf uns zu. Mühsam schlängelten wir uns zwischen ihnen hindurch bis zur nächsten Hauswand, wo wir uns gegen die Mauer drückten.
    »Wo ist denn hier das Grand Palais?«, fragte der Junge neben mir, dessen Name Louis lautete. Seine Stimme klang weinerlich. Mit aufgerissenen Augen starrten wir auf die Menschen, die an uns vorbeiströmten. Hier schien jeder ein Ziel zu haben. Bis auf uns. Ein Gefühl der Verlorenheit breitete sich in mir aus und ich schloss die Augen. Wie sollte ich in dieser Stadt jemals überleben? Papillon hatte recht, ich war ein Landei und gehörte nicht hierher.
    Der Gedanke an Papillon riss mich aus meinem Selbstmitleid. Was hatte er noch erzählt? Er war auch einmal so angekommen wie wir und hatte sich durchgekämpft. Warum sollte mir das nicht auch gelingen? War ich das nicht Gordiusschuldig? Ich straffte die Schultern und machte einen Schritt nach vorn, genau in den Weg eines vierschrötigen Mannes mit breitkrempigem Hut und langem Mantel. Ärgerlich wollte er mich beiseitestoßen, aber ich hielt meine Stellung.
    »Können Sie mir sagen, wo ich das Grand Palais finde?«
    Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »Die Richtung«, brummte er und drängte sich an mir vorbei. Ich drückte mich wieder an die Wand.
    »Da rechts lang«, informierte ich meine Gefährten. Im Gänsemarsch trotteten wir an der Hauswand entlang zur nächsten Ecke, überquerten die Straße im Gefolge der anderen Passanten und marschierten einen Block weiter.
    Das Grand Palais war ein mächtiges Gebäude mit zahlreichen gläsernen Kuppeln, die von Metallträgern gehalten wurden. Eine breite Treppe führte zum Hauptportal empor, das zu beiden Seiten von Türmen flankiert wurde, auf denen marmorne Figurengruppen thronten.
    Der Zugang zum Palais war bis zur Straße abgesperrt. Auf jeder Seite hielt eine Reihe stämmiger Polizeibeamter die Menschenmenge zurück, die sich bereits versammelt hatte, um der Ankunft der Zauberer beizuwohnen.
    Wir drängten uns so weit wie möglich durch die Menge, bis wir einen einigermaßen guten Platz ergattert hatten. Meine Gefährten schienen sich, mitten in einer solchen Masse von fremden Menschen eingezwängt, ebenso unbehaglich zu fühlen wie ich. Auch das war etwas, was ich bislang noch nicht erlebt hatte.
    Wir mussten noch über eine Stunde warten, bis aus der Avenue des Champs-Élysées ein Konvoi von Limousinen auf denPlatz vor dem Palais einbog. Der erste Wagen hielt vor der breiten Treppe, die zum Eingang emporführte. Ein livrierter Diener riss die Tür auf. Dem Fond entstieg ein großer Mann mit vollem weißem Haar, das ihm bis weit über den Kragen fiel. Er trug einen Smoking und darüber einen dunkelroten Umhang, der bis zu den Knien reichte. Um den Hals

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