ePub: Der letzte Zauberlehrling
verließ.
Also bezogen wir wieder unsere Posten vor dem Hauptportal. Langsam wurde es dunkel und die Laternen sprangen an.
»Uns nimmt sowieso keiner mehr«, klagte Louis. »Wir hätten uns die Reise hierher sparen können.«
Die anderen murmelten zustimmend. Auch meine Hoffnungen sanken von Minute zu Minute. Trotzdem rührte ich mich nicht von der Stelle.
So verging die Zeit. Einer um den anderen verschwanden meine Gefährten mit hängenden Köpfen im Dunkel der Nacht, bis ich allein zurückgeblieben war. Meine Füße schmerzten vom langen Stehen, mein Magen knurrte, und Horatio brauchte dringend Auslauf, aber ich rührte mich nicht von der Stelle. Notfalls würde ich hier bis zum Morgen warten, beschloss ich. Und ich würde jeden Zauberer, der herauskam, um eine Lehrstelle bitten.
Inzwischen standen nur noch ein paar Dutzend Schaulustige herum. Die Polizeiketten waren aufgelöst worden. Lediglich eine kleine Gruppe von Beamten wartete neben der geschlossenen Eingangstür. Im Hintergrund war das Brummen der Stadt zu hören. Mit seinem Auf und Ab kam es mir vor wie ein dumpfer Herzschlag. Während es bei Gordius nachts, abgesehen von den Geräuschen der Natur, fast immer still war, schlug das Herz von Paris rund um die Uhr.
Nachdem ich weitere zwei Stunden ausgeharrt hatte, dämmerte auch mir, dass sich hier vorne heute nichts mehr tunwürde. Ich beschloss, noch einen letzten Versuch auf der anderen Seite zu unternehmen. Erneut trabte ich um das Palais herum. Der Hof wurde jetzt von Flammen beleuchtet, die aus großen Metallschalen emporzüngelten. Auf einem Podest, das ich beim ersten Mal nicht bemerkt hatte, spielte ein Pianist, dessen Musik jedoch im allgemeinen Stimmengewirr fast völlig unterging. Inzwischen hatten sich auch zahlreiche Zauberer, die ich an ihrer Kleidung leicht erkennen konnte, unter die Gäste gemischt. Sie waren so nah und gleichzeitig doch unendlich weit weg, denn die uniformierten Wachhunde standen nach wie vor am Eingangstor.
Seufzend zog ich Horatio aus der Tasche und hob ihn vor mein Gesicht. »Wir werden uns wohl eine andere Arbeit suchen müssen, mein Kleiner.«
Er blickte mich aus seinen schwarzen Knopfaugen mitfühlend an. Ich kraulte ihn mit dem Zeigefinger im Nacken. »Jetzt bekommst du erst mal ein wenig Auslauf, und dann versuchen wir, eine Unterkunft für die Nacht zu finden.« Ich nahm meine Tasche und wollte gerade die Straße überqueren, um Horatio auf der gegenüberliegenden Seite ins Gras zu setzen, als ich hinter mir eine Stimme vernahm.
»Humbert!«
Ich fuhr herum. Auf der anderen Seite des Gitters stand Agnetha. Sie bemerkte sofort meinen niedergeschlagenen Gesichtsausdruck. »Es hat nicht geklappt, stimmt’s?«
Ich nickte. »Nicht mal in die Nähe eines Zauberers bin ich gekommen.«
»Na, das kannst du hier nachholen«, sagte sie. »Aber eine Lehrstelle wird dir trotzdem keiner anbieten, denn Pompignac hat heute offiziell bestätigt, dass alle Zauberer an ihn verkauft haben. Es tut mir leid.« Sie machte eine Handbewegung zum Tor hin. »Aber ich würde mich freuen, wenn du noch ein wenig bleibst.«
»Ich darf leider nicht rein«, erwiderte ich.
»Ach, das kriegen wir schon hin. Komm!« Sie ging auf die Einfahrt zu und ich folgte ihr auf meiner Seite. Agnetha wechselte einige Worte mit einem der Uniformierten, der mich misstrauisch betrachtete. Schließlich winkte sie mir zu. Unter den herablassenden Blicken der Türsteher trat ich in den Hof.
Sie ergriff meine Hand und zog mich zu einem der Tische, wo sie mich ein paar anderen Jugendlichen in unserem Alter vorstellte, deren Namen ich jedoch sofort wieder vergaß. Meine Aufmerksamkeit galt den Männern mit den Zylindern, die sich unter die übrigen Gäste gemischt hatten, denn trotz Agnethas Bemerkung und meinen eigenen Erfahrungen verfügte ich nach wie vor über einen kleinen Funken Hoffnung.
Agnethas Freunde starrten mich an wie ein exotisches Tier. Ich war weder so vornehm gekleidet wie sie, noch beteiligte ich mich an dem aufgekratzten Geplapper, das von allen Tischen auf mich eindrang. Hilfe suchend drehte ich mich zur Seite, wo Agnetha gerade einem Kellner einen Teller mit Fleischspießen und ein Glas mit einer roten Flüssigkeit darin vom Tablett nahm. Sie stellte beides vor mich hin.
»Hier, iss erst einmal was«, sagte sie. »Du musst ja völlig ausgehungert sein, wenn du die ganze Zeit da draußen gewartet hast.«
Als sie das sagte, merkte ich erst, wie hungrig ich war. Seit dem Frühstück
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