ePub: Der letzte Zauberlehrling
nachdem ich dem Alten mal wieder einen neuen Kniff beigebracht hatte, entschloss ich mich zum Angriff. »Sagt, Meister, was hat es auf sich mit den Gerüchten von einer Weltaura?«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Wo hast du davon gehört?«
»Hier und da«, erwiderte ich ausweichend. »Ich dachte jedoch stets, das seien nur Ammenmärchen.«
Mirren wiegte den Kopf langsam hin und her. »Ich möchte darüber nicht reden. Es handelt sich um Kräfte, die man besser unangetastet lässt.«
»Aber es gibt sie?«
Er blickte mich prüfend an. »Woher kommt dein plötzliches Interesse an etwas, das du bislang als Hokuspokus bezeichnet hast?«
»Der Drang nach Wissen, Meister. Nichts sonst.«
»Manchmal kann zu viel Wissen auch eine Bürde sein«, erwiderte er ausweichend und ließ sich zu keinen weiteren Ausführungen mehr verleiten. Doch ich hatte genug erfahren. Irgendetwas musste an dieser Aura-Sache dran sein, und ich war entschlossen, es herauszufinden. Nicht wegen Nublus, sondern für mich. Denn wenn diese Kraft so stark war, wie Mirren andeutete, würde sie vielleicht meine Rückkehr in die Heimat beschleunigen können.
Da Mirren nicht reden wollte, musste ich zu anderen Mitteln greifen. Also schmuggelte ich ihm bei nächster Gelegenheit eine Tinktur in sein Essen, die ihn mehrere Tage in einer Art Wachkoma ans Bett fesselte. Dabei entlockte ich ihm sein Geheimnis. Wie es aussah, schien diese Aura wirklich zu existieren, und er verriet mir, wie man sie sich zunutze machen konnte. Leider hatte ich als Dämon keinen Zugang zu dieser Kraft. Aber Nublus war dazu in der Lage!
Das bedeutete den endgültigen Abschied von Mirren, denn selbst er würde mich, bei aller Großherzigkeit, nach dieser Tat nicht mehr aufnehmen. Allerdings enttäuschte mich auch Nublus. Nachdem ich ihm die Informationen überbracht hatte, versuchte er zwar, sich die Aura nutzbar zu machen, versagte dabei aber jämmerlich. Was mir Mirren nicht verraten hatte (und was ich erst später herausbekam), war, dass die Macht der Aura nicht teilbar ist. Man kann sie also nur ganz nutzen oder gar nicht. Und da Mirren sich schon länger mit der Sache beschäftigt hatte, konnte er die Aura rechtzeitig mit einem Zauber blockieren. Das ist etwa so, als ob man aus einer Uhr ein kleines Zahnrad herausnimmt: Es fehlt zwar nur eine Winzigkeit, aber sie funktioniert nicht mehr. Nublus kam irgendwann auch dahinter und blockierte seinerseits einen Teil der Aura. Wenn er schon nicht darauf zugreifen konnte, dann sollte Mirren es auch nicht. So endete die Sache in einem Unentschieden. Das war das Ende vom Lied. Die Kraft, die mich aus meiner elenden Existenz hätte befreien können, blieb im Verborgenen.
Um die Aura zu nutzen, musste man von nun an also über beide Entblockierungszauber verfügen, den von Mirren und den von Nublus. Die zwei Erzfeinde waren dazu nicht bereit, wollten aber auch verhindern, dass eine der nachfolgenden Generationen sich die Macht der Aura erschließen konnte. Also verband jeder von ihnen das Wissen um die Entblockierung mit seinen Nachkommen. So sollte die jeweils andere Seite an der Nutzung der Aura gehindert werden.
Im Märchen finden sich zwar stets die zwei Königskinder aus verfeindeten Häusern, die den alten Hass überwindenund gemeinsam eine neue Zukunft aufbauen, und ich hatte, ehrlich gesagt, auch immer auf das Eintreten dieses Ereignisses gehofft. Aber irgendwie war es nie dazu gekommen.
Bis jetzt.
Denn ich weiß noch etwas. Und dieses Wissen besitze ich ganz allein.
Humbert ist der direkte Nachfahre von Nublus dem Dunklen. Das war mir klar, seitdem ich das Mal in seiner Handfläche entdeckt hatte. Es war fast so, als wäre der Kleine speziell für mich geschickt worden.
Wer ihn geschickt hat? Die Vorsehung? Der Zufall? Ein alter Generationenzauber von Nublus selbst? Wer weiß das schon. Und es ist auch völlig gleichgültig.
Entscheidend ist, dass der Kleine nichts davon weiß. Und auch nicht davon, welche Kräfte in ihm schlummern.
Leider ist er ein guter Mensch, was die ganze Angelegenheit deutlich erschwert. Aber er ist ja noch jung, und in ein paar Jahren könnte sich das vielleicht ändern. Dann hätten er und ich die Macht, uns der Zauberkräfte zu bedienen, die in Samira stecken. Und mithilfe der Aura den verschwundenen Überzauber wieder hervorzuholen und für meine Zwecke einzusetzen.
Nach so vielen Jahrhunderten auf der Erde kommt es mir auf die paar Jährchen mehr oder weniger nicht an.
Ich habe ja genug
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