ePub: Der letzte Zauberlehrling
hatte ich nichts mehr gegessen. Im Nu hatte ich den Spieß verputzt. Agnetha lächelte und winkte dem nächsten Kellner, den sie anwies, gleich zwei weitere Teller vor mir abzustellen.
»Und was hast du jetzt vor?«, fragte sie.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich zwischen zwei Bissen. »Wahrscheinlich werde ich mir in Paris eine Arbeit suchen. Oder nach einem Zauberer Ausschau halten, der noch nicht an Pompignac verkauft hat.«
»Das dürfte dir ziemlich schwerfallen«, meinte sie.
»Aber die, die heute hier sind, können doch nicht alle Zauberer des Landes sein. Bestimmt gibt es noch welche wie meinen Meister Gordius, die vielleicht nur nicht in Paris leben.«
»Die existieren bestimmt. Allerdings werden das Zauberer niedriger Klassen sein, bei denen du nicht viel lernen wirst. Ignatius hat erzählt, dass wirklich alle bedeutenden Zauberer mit Pompignac gemeinsame Sache machen.«
Ich legte den letzten abgenagten Spieß zurück auf den Teller. »Dann gehe ich eben ins Ausland«, sagte ich. »Dort wird es genügend Meister geben.«
Agnetha legte mir mitfühlend die Hand auf den Arm. »Ich verstehe deine Verzweiflung, Humbert. Es ist eine Schande, was heute geschehen ist. Aber als Einzelner kannst du nicht viel unternehmen. Du wirst hier im Land keinen Meister finden und auch im Ausland nicht. Falls es dort überhaupt Zauberer gibt, arbeiten sie völlig anders als wir. Du müsstest also nicht nur die Sprache lernen, sondern noch einmal ganz von vorn anfangen.«
»Das ist mir egal«, erwiderte ich trotzig, als hinter uns laute Stimmen ertönten. Agnetha und ich drehten uns um. WenigeMeter entfernt stand ein weißbärtiger Mann mit zerzaustem Haar, der von einer Gruppe Jugendlicher umringt wurde. Unter ihnen befand sich auch Ignatius.
»Oh nein«, stöhnte Agnetha, die ihn ebenfalls bemerkt hatte. »Man darf Iggy wirklich keine Minute allein lassen.«
Ihr Bruder schien der Anführer der Gruppe zu sein. Neben dem Alten stand ein vielleicht zehnjähriges Mädchen, das die Vorgänge mit großen Augen verfolgte. »Seht euch den Penner an«, höhnte Ignatius. »Er will ein Zauberer sein und kann nicht mal den Weg zur Toilette finden!«
Mein Blick glitt an dem strubbeligen Alten herab. Tatsächlich prangte auf einem seiner Hosenbeine ein großer dunkler Fleck. Auch der Mann beugte sich vor, um seine Hose näher in Augenschein zu nehmen. Dabei geriet er ins Schwanken und wäre beinahe nach vorn gestürzt, fing sich aber im letzten Moment und machte ein paar unsichere Schritte auf Ignatius zu. Der hielt sich mit gespieltem Ekel die Nase zu und streckte abwehrend eine Hand aus.
»Igitt!«, rief er. »Der Mann kann aus dem Nichts Urin herbeizaubern!«
Seine Kumpane grölten. Der Alte bewegte langsam den Kopf hin und her und schwankte. Er war offensichtlich sternhagelvoll. Er fuhr sich mit einer Hand durch den struppigen weißen Bart, dann drückte er die Schultern nach hinten und sah Ignatius direkt ins Gesicht.
»Da ... dasch ischt Wascher, du Scheischkerl«, lallte er, was ein noch lauteres Gelächter der Umstehenden auslöste.
Agnetha legte ihrem Bruder eine Hand auf den Arm. »Iggy, das reicht«, sagte sie.
Er schüttelte sie ab. Dabei fiel sein Blick auf mich. »Oh, wen haben wir denn da? Noch so einen Möchtegern-Zauberer!«, höhnte er.
»Iggy, bitte«, beschwor ihn Agnetha, aber er hörte nicht auf sie. »Darf ich vorstellen?«, rief er und deutete auf den betrunkenen Alten. »Prometheus, der einzige Zauberer Erster Klasse, der seine Zaubersprüche nicht verkauft hat. Und hier haben wir Humbert, den einzigen Zauberlehrling, der noch nicht begriffen hat, dass es keine Zauberlehrlinge mehr gibt.«
Erneut grölten seine Kumpane los. Ich spürte ein Gefühl in mir aufsteigen, das ich so noch nie empfunden hatte. Das Blut stieg mir zu Kopf und begann hinter meinen Schläfen zu pochen, und aus meiner Bauchgegend breitete sich eine heiße Welle in meinem Körper aus. Ich machte einen Schritt nach vorn. »Wenn er der einzige noch verbliebene Zauberer ist und ich der einzige Zauberlehrling, dann passen wir ja gut zusammen«, rief ich und starrte Ignatius trotzig an.
»Hört, hört! Der Blinde und der Lahme wollen sich zusammentun!«, lachte er.
»Lieber blind und lahm als borniert und dumm«, entgegnete ich. Dann drehte ich mich zu Prometheus um. »Stimmt es, dass Sie nicht an Pompignac verkauft haben?«
»Pompignac? Pah«, rief er und spuckte aus. »Dasch ischt k-kein Schauberer, dasch ischt ein
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