Equinox
hopsen anfing, »Erster Borddetektiv Fuchs liebt Tiere über alles.« Ein reißendes Geräusch, und das andere Bündel hatte Jochens linkes Bein bis zum Oberschenkel freigelegt. »Doch was«, fuhr ich fort, im Bestreben, die Sache hinter mich zu bringen, »war der Grund, uns rufen zu lassen? Es ist doch hoffentlich niemand ermordet worden?«
Giorgio ließ grunzend die Ruderstummel los und verdrehte die Augen wie jemand, der den Witz schon öfter gehört hat.
Ich wies ihn mit eindringlicher Geste auf das wartende Laufband hin. War doch gelacht, sagte ich mir, wenn wir seine Sohlen nicht zum Rauchen bringen könnten.
Miss Lovejoy strich sich energisch ihre blau gefärbten Locken zurück und entblößte ein Ohrläppchen von Farbe, Form und Konsistenz eines Koteletts, das der Metzger zehn Alinuten lang mit dem Steakhammer bearbeitet hat.
Vor etwa zwanzig Jahren, sollte ich vielleicht hinzufügen, denn Spuren jüngerer Gewalteinwirkung waren nicht auszumachen. Dann drehte sie den Kopf, entblößte das andere Ohr und so was wie ein halber Kristalllüster baumelte davon herab.
Verschwörerisch winkte sie mich zu sich herunter.
»Das Zimmermädchen«, flüsterte sie, und mit einem trockenen Husten ging mir auf, dass ich vergessen hatte, die Luft anzuhalten. »Ihr Name ist Rosalia. Diebisch wie eine Elster. Ich möchte, dass Sie sie in Ketten legen. Oder«, und sie winkte mich noch mal zu sich herab, »noch besser: Werfen Sie sie über Bord. Nachts, wenn alle schlafen.«
»Tja«, sagte ich nachdenklich, zog ein kritisch-interessiertes Gesicht und trat nahe ans Laufband. Giorgio, der mit seiner kopflastigen Figur und der überdefinierten Beinmuskulatur recht schwerfällig auf der Stelle trampelte, beäugte mich mit Misstrauen. »Das hört sich ja ernst an«, rief ich Miss Lovejoy zu und drehte mit der Fußspitze den roten Knopf von >Guter Vorsatz ohne rechten Willen< auf >Panische Flucht vor verheerender Feuersbrunst<. »Wir werden der Sache natürlich sofort nachgehen«, versicherte ich und machte mich auf den Weg zur Tür, überholt von Jochen, dem es geglückt war zu entkommen, indem er sich selbst ein Hosenbein abgerissen und es Pupsie und Wupsie hingeworfen hatte. Die beiden Biester balgten sich wie wild darum.
»Nur«, gab ich, schon an der Tür, zu bedenken, lauthals, um Giorgios rasendes Trampeln und pfeifendes Keuchen zu übertönen, »wenn wir das Zimmermädchen über Bord werfen - wer macht dann Ihre Betten?«
Die Geste, mit der sie antwortete, beinhaltete eine tief sitzende Verachtung für die komplette Gattung >Domestik<, Fitnesstrainer und Borddetektive nicht ausgenommen, und die empirisch gewonnene Überzeugung, dass eine in Armut gehaltene Welt mehr billiges Hauspersonal produziert, als irgendjemand jemals wird über Bord schmeißen können. Das alles in einer Geste. Von Kopf bis Fuß die lebende Legende.
Da Jochen unterwegs war, sich ein paar Kubikzentimeter Tollwut- und Tetanus-Prophylaxe verpassen zu lassen, blieb die Suche nach Rosalia an mir hängen. Kaum hatte ich sie in Suite Nr. 5 aufgespürt, konnte ich schon wieder los, um jemanden zu finden, der mir meine im Grunde sinnlosen Fragen ins Spanische übersetzte und die erwarteten Antworten dann aus dem Spanischen ins Deutsche. Ich hätte jetzt schnurstracks in Suite Nr. 9 zurückkehren und Meldung erstatten können, aber ich machte mir Sorgen um meine blauen Uniformhosen, von denen wir nur je zwei Exemplare ausgehändigt bekommen hatten, begleitet von der Mahnung zur Sorgfalt, und Jochen ist im Umgang mit Tieren und älteren Damen ja so viel geschickter als ich.
Außerdem hatte ich bei Gott dringendere Sachen zu erledigen, wenn auch nicht unbedingt in öffentlichem Auftrag.
Nachdenklich nahm ich einen der gestapelten Edelstahl-Sektkühler von der Eismaschine vor Suite Nr. 5 und ließ ihn bis zum Rand mit Eiswürfeln voll rappeln. Wenn ich mich nicht persönlich um alles kümmere, denke ich manchmal, dann läuft überhaupt nichts.
»Was machen Sie denn da mit dem Kühler?«, fing mich die hagere Rezeptionistin beim Vorbeilaufen ab. Oder versuchte es zumindest. »Bleiben Sie stehen! Diese Gefäße sind ausdrücklich der Nobility vorbehalten!«
»Ach«, sagte ich und ging ungerührt weiter, gespannt, ob sie hinter ihrem Schalter hervorgesprintet kommen würde.
Sie kam, tatsächlich, und wütend obendrein, und packte mich am Ärmel. Da bin ich jetzt wiederum nicht so für zu haben.
»Wo wollen Sie damit hin?«, bellte sie
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