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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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krächzend.
    »Zur Brücke«, log ich und schüttelte ihre Finger von meinem Ärmel. »Der Käptn hat was zu feiern.«
    Wir sahen uns an. Was immer es sein mochte, das da zwischen uns knisterte, Erotik war es nicht.
    »Ich werde das überprüfen«, log sie, um ihr Gesicht nicht zu verlieren, und ich verschwand im Treppenabgang, verfolgt von der Mahnung, den Kühler nach Gebrauch ja wieder hochzubringen, und in dem schönen Gefühl, ein weiteres Besatzungsmitglied in treuer Verbundenheit an mich gefesselt zu haben. Das bei näherer Betrachtung nicht so Tolle daran war, dass es auf dem ganzen verdammten B-Deck nur eine einzige Eismaschine gab, hier oben auf Nobility aber gleich drei. Na, dachte ich, wozu habe ich denn meinen Jochen. So viel geschickter, so viel verständnisvoller als ich im Umgang mit Hunden und anderen bissigen Bestien.
     
    Die Hitze und der Gestank in unserer Kabine waren atemberaubend. Scuzzi schnarchte ungerührt. Ich ließ die Tür einen Moment offen, kippte den Inhalt des Sektkübels in den oberen der beiden schwarzen Müllsäcke, über das grünlich-bräunlich angelaufene Antlitz unseres ehemaligen Obersten Domestiken, drehte den Regulierknauf des Deckenlüfters knirschend bis zum blauen Anschlag, ohne dem wabernden Luftstrom auch nur ein Grad von seiner Tropenschwüle zu nehmen, und zog dann sofort wieder los, um mehr Eis aufzutreiben. Wieso war das so scheißwarm bei uns?
    Die verdammte B-Deck-Eismaschine schien eine Stunde zu brauchen, mir den Stahleimer voll zu speien. Wenn wir die Temperatur in der Kabine nicht drastisch heruntergedreht bekamen oder - was nicht auszudenken war - wenn wir in Tromso keinen Weg an Land finden sollten, mussten Jochen und ich uns etwas mit der Leiche einfallen lassen. Sie umbetten, um es klar zu sagen. Doch keinesfalls vor heute Nacht, und deshalb stand ich da und wartete, während die Maschine Würfel um Würfel ausspuckte.
    Ein anderes, buchstäblich nagendes Problem war, wie ich Jochen dazu bringen sollte, in die hundsrattenverseuchte Suite Nr. 9 zurückzukehren. Bevor Miss Lovejoy zum Hörer griff, um uns abmahnen zu lassen.
    Sektkübel unterm Arm, machte ich mich auf den Rückweg zu unserer Kabine, meine Stimmung die einer, wie soll ich sagen, verschärften Entschlossenheit.
     
    Das Bullauge stand offen, als ich zurückkam, eine kluge oder auch nicht so kluge Entscheidung, abhängig von der Seite, auf der man stand. Drinnen verbesserte das möglicherweise die Luft. Draußen sicherlich nicht. Irgendeine Wetterlaune hatte das Deck vor unserer Kabine in eine jener rätselhaften Nischen völliger Windstille verwandelt, wie die UV-süchtigen Deckstuhl-Abhänger sie so lieben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand die aus unserer Kemenate strömenden Aromen bemerken und ihnen, je nach Temperament oder Dienstrang, auch auf den Grund gehen würde.
    Die Equinox suchte sich in verhaltenem Tempo ihren Weg in einen Fjord, Lautsprecherdurchsagen wiesen in fünf Sprachen alle naselang auf die Sehenswürdigkeiten ringsum hin, doch ich hatte im Moment keinen rechten Sinn für Wasserfälle und Gletscherläufe und moosbehangenen Fels.
     
    Jochen lag bäuchlings auf seiner Koje und stöhnte.
    »Los«, schnauzte ich ihn an und wedelte ein bisschen mit der Kabinentür, solange draußen niemand vorbeischlurfte. Jesus, was für ein Mief. Scuzzi schnarchte weiterhin sachte, Augenbinde und Ohrenstöpsel hielten ihn auf bequemem Abstand zu den Tagesgeschehnissen, Nase nach zig Jahren des Missbrauchs eh unempfindlich, ja, seien wir mal ehrlich, praktisch unbrauchbar. Abgetötet.
    »Los, Jochen, raus aus der Pofe! Beweg deinen Arsch!«
    »Oh, erwähne nicht meinen Arsch«, stöhnte er, stark gedämpft durch das Kissen, in das er seine Visage gedrückt hatte. »Erst die Stahltreppe und dann Dr. Köthensieker«, klagte er. »Ich werde nie wieder sitzen können.«
    »Los, los, los«, drängte ich. »Hoch mit dir zu Miss Lovejoy. Geh und stell ihr die Bude auf den Kopf, bis du diesen Scheiß-Schmuck gefunden hast!«
    Denn genau das war es, worauf ich, abgesehen von den Aufmerksamkeiten der beiden ekelhaften Tölen und dem Nähe-Bedürfnis ihrer Halterin, absolut keinen Bock hatte: stundenlang sämtliche Wäschestapel und Polsterfugen der ganzen verdammten Hütte nach dem fehlenden Klunker abzutasten.
    »So ein Ding hat er mir hinten reingejagt.« Jochen drehte sich auf die Seite und hielt seine Zeigefinger auf die übliche Distanz männlicher Übertreibung auseinander. »Und

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