Equinox
steril und trocken, die Luft erfüllt von Summen, Fiepen und diesem leisen Rattern, das die elektronischen Rechenvorgänge begleitet und bei dem ich mich immer frage, was genau es eigentlich ist, das da rattert.
Funker und Bordelektroniker Jansen empfing mich, ein bebrillter, seltsam umwölkter Mann, der mit einem Ohr den kratzigen Durchsagen seines in dieser Umgebung fast schon antiquiert wirkenden Funkgerätes lauschte, während er sich mit dem anderen unter ungeduldigem Nicken mein Anliegen anhörte.
»Da hätten Sie auch mailen können«, belehrte er mich und zog sich eine Tastatur heran.
Ja, dachte ich, sicher. Doch erst mal hatten wir keinen PC in der Kabine.
Anders als hier, Sweet Jesus. Mindestens zwanzig große Flachbildschirme hingen ringsum an den Wänden wie animierte Poster, jeder mit eigener in ein stählernes Pult eingelassener Tastatur. Und mitten im Raum thronte ein Kasten im Format eines rundlichen Fünfziger-Jahre-Kühlschranks, jedoch ganz aus gebürstetem Metall bis hin zu den zahllosen völlig plan in die Flächen integrierten Verschlussklappen. Nicht eine Schraube war an dem Ding zu sehen, es schien nicht zusammengesetzt, sondern aus einem Stück herausgearbeitet zu sein. Eine einsame Diode leuchtete blau aus der Mitte der Front wie ein stechender Zyklopenblick, gleich über dem CNC-gefrästen Namenszug »Votix«.
»Ganz schön großer Kasten«, bemerkte ich, ohne dass einer der beiden Techniker darauf eingegangen wäre.
Abgesehen von den Flachbildschirmen gab es keinen weiteren Monitor im ganzen Raum.
»Kein Radar?«, fragte ich den japanischen Weißkittel, der, Hände auf dem Rücken, ruhig auf und ab lief und alles im Raum im Auge behielt. Sein Namensschild wies ihn als »Mr N. Honnaido« aus. Eine Berufsbezeichnung fehlte. Er nickte kurz, streckte eine weiß behandschuhte Rechte vor und erläuterte mir anhand eines der Bildschirme, dass die Radarsignale sofort in eine Grafik umgesetzt wurden. Tatsächlich sah ich zwei Küstenlinien und dazwischen ein rhythmisch blinkendes Schiff von oben.
Ein anderer Monitor zeigte das Ruder, in ständiger Bewegung, wie es mir schon auf der Brücke an dem Joystick aufgefallen war.
Wind, Wellen und Meeresströmungen schubsten die Equinox ständig weg vom berechneten idealen Kurs, erfuhr ich, und Votix korrigierte das ebenso ständig auf eine pingelige Weise. Honnaidos Deutsch war in etwa so makellos wie seine restliche Erscheinung.
»Welche Kabinennummer habt ihr?«, wollte Jansen wissen, und ich sagte sie ihm.
»Hm, Außenkabine. B-Deck. Schick«, meinte er verdrießlich und tippte die Nummer ein.
Dass wir, als Borddetektive, eine so attraktiv gelegene Hütte bewohnten, hatte etwas mit der ständigen Verfügbarkeit für die Passagiere zu tun und auch etwas damit, dass die Equinox im Moment nur zu etwa 85 Prozent ausgebucht war. Ansonsten wären wir, genau wie der vom Kapitän mit einer komfortablen Innenkabine verwöhnte Pianist, sicher augenblicklich in einem der üblichen, tiefer gelegenen Mannschaftsquartiere verschwunden. Trotzdem war diese bevorzugte Behandlung ein Grund für nicht unerheblichen Neid.
Mr Honnaido beugte sich über eine der Tastaturen und tippte mit einer Hand sachte ein paar Tasten an, wobei er den kleinen Finger vornehm abgespreizt hielt, wie die Gräfin aus dem Fernsehspot beim Beschlürfen ihrer goldenen Kaffeetasse. Eine Darstellung der Seitenansicht des Schiffes erschien, unter dem Schriftzug »Throttle Control«. Der Bug schob sich in einen Wellenberg und die Nadel der Motordrehzahl zuckte ein bisschen nach rechts. Der Wellenberg wanderte weiter und die Nadel zuckte wieder zurück.
»Automatische Kraftstoffzufuhr für bessere Ökonomie und ein sanfteres Gleiten des Schiffs«, erklärte Mr Honnaido zufrieden. »Und alles wird hier drin geregelt.« Und er betrachtete Votix mit etwas wie väterlichem Stolz.
»Kommt mir ganz schön groß vor, der Kasten«, wiederholte ich meine Bemerkung von eben.
»Nun«, sagte Mr Honnaido, vielleicht einen Hauch reserviert, »Votix beinhaltet die Rechnereinheit zur Steuerung und technischen Überwachung des ganzen Schiffes …«
»Trotzdem«, fand ich.
»Er kontrolliert die komplette Vorratshaltung an Bord, vom Treibstoff bis zum Inhalt der Kaffeeautomaten …«
»Trotzdem«, meinte ich.
»Er überwacht alle Sicherheitssysteme, angefangen beim Brandschutz. Ja«, sprach Honnaido schnell weiter, bevor ich ein weiteres »Trotzdem« einwerfen konnte, »das System ist sogar in der
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