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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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den Kopf zerbrach über die Machtstrukturen an Bord? Oder war das nur die berühmte japanische Gründlichkeit? Oder …
    »Misstrauen Sie Antonov etwa?«, fragte ich.
    Honnaido hob eine Braue und lächelte dünn. Er stellte die Tasse beiseite, beugte sich leicht vor in seinem Sessel.
    »Warum haben Sie die Leiche des Stewards gestohlen und anschließend in Ihrer Kabine aufbewahrt?«, kam es hart und direkt.
    Ich schluckte. Viel hätte nicht gefehlt und ich hätte angefangen, an meinem Krawattenknoten herumzuzerren. Es war einer dieser Momente. Falsches Bein, voll auf die Zwölf, so in etwa. Es war, um es kurz zu machen, ein archetypischer Anlass zum von vornherein aussichtslosen Zeitschinden.
    »Was … wie … woher …?«, murmelte ich, knapp an einem Stammeln vorbei.
    Honnaido hielt plötzlich eine Fernbedienung in der Hand und richtete sie auf einen Punkt hinter meinem Rücken, wo mit einem elektrostatischen Knacken ein großer, flacher Bildschirm ansprang. Ich drehte mich um. Ein umfangreiches Menü-Programm erschien, durch das der Techniker sich mit der lässigen Selbstverständlichkeit eines blassen, übergewichtigen Halbwüchsigen zappte, und was dann kam, war, tja, ein Stummfilm. In Schwarzweiß. Doch ohne Laurel & Hardy.
    Eine offenbar hysterische Frau, die kreischend auf einen schwarzen Sack zu ihren Füßen zeigte, wurde gerade von einem nur in seine Unterwäsche gewandeten und von Kopf bis Fuß mit einer dunklen Masse besudelten Mann kraft eines ebenso zielgenau wie entschlossen durchgeführten Hiebes mit einer, wie es aussah, Bratpfanne niedergestreckt.
    Ich hatte, wurde mir bewusst, nur die beiden Kameras vor unserer Kabine lahm gelegt. Und an die ein Deck tiefer nicht einen Gedanken verschwendet.
    Zwei weitere, ähnlich zurechtgemachte Männer tauchten auf und gemeinsam wuchteten sie den schwarzen Sack in großer Hast über die Reling. Was auffiel, war, dass der Erste sich die ganze Zeit nicht recht von der Bratpfanne zu trennen vermochte. Erst als ein vierter, grotesk übergewichtiger und in einen Anzug gekleideter Mann heranstampfte, ließ er sie unauffällig über Bord gehen.
    »Beantwortet das Ihre Frage?«, wollte Honnaido wissen.
    Scheiß drauf, dachte ich und zerrte jetzt doch an meinem Krawattenknoten herum. Mir war warm, aus mehr als nur einem Grund mittlerweile, und einen dicken Hals bekam ich obendrein. Wenn der Computerfritze mich auf die Palme bringen wollte, dann hatte er mich schon halb den schuppigen Stamm hoch. Was ging das überhaupt ihn an?, wütete ich, innerlich.
    Die Szene riss ab, Honnaido zappte.
    »Von Schlaf scheinen Sie nicht viel zu halten«, meinte er beiläufig und schaltete auf eine Innenaufnahme.
    Zwei männliche Gestalten mit durchlöcherten Kissenbezügen über den Köpfen wankten einen nächtlichen Kabinengang hinunter. Der Erste der beiden blieb ruckartig stehen, hob das Tuch vor seinem Gesicht und gönnte sich - geschickterweise voll im Fokus der Kamera - einen mächtigen Schluck aus einer mitgebrachten Wodkapulle.
    Das Bild stoppte zum Standfoto und zoomte sich an den Kopf heran, bis er, Flasche immer noch am Hals, den Monitor in voller Größe ausfüllte. Wer bis jetzt noch nicht erkannt haben sollte, wer das war, der sich da frohgemut mit Fusel füllte, dem wurde nun mit noch mehr Helligkeit und Tiefenschärfe auf die Sprünge geholfen.
    Prachtvolles Bewerbungsfoto, fand ich, säuerlich.
    »Ich bin in keiner Position, Sie über die Motive Ihres Handelns zu befragen«, stellte Honnaido fest. Er ließ den Film weiterlaufen, auf »Fast Forward«. Einen Augenblick lang sahen wir mir und Scuzzi beim hektischen Hantieren zu. Schlauch abwickelnd, Tür auftretend, kurz mit dem wilden, sprühenden Schlauch ringend. Rein in die Kabine, plötzlicher Feuerschein, wieder raus, wieder Wasser marsch.
    »Doch andere hier an Bord«, fuhr er fort, »unterstellen Ihnen mehr oder minder offen niedere Instinkte.«
    Ich bremste mich, nahm mir eine Sekunde, sämtliche Kraftausdrücke aus meiner Entgegnung zu radieren.
    »Antonov«, sagte ich dann behutsam, »glaubt immer zuerst seiner schmutzigen Phantasie. Dr. Köthensieker glaubt, uns allen etwas vormachen zu können, und Kapitän Zouteboom scheint entschlossen, bedingungslos alles zu glauben, was den reibungslosen Ablauf des Betriebes an Bord zu gewährleisten scheint.«
    »Und Sie …?«
    Und ich glaube an die Macht der Liebe, dachte ich, müde.
    »Und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sowohl Wassilij Kryvidnadse als auch

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