Equinox
im gleichen Maße, wie der Verweis auf die Studenten schmeichelte, und so drückten sie alle brav ihre Kippen aus und begannen, in einer enormen Kasserolle das Hackfleisch und die Zwiebeln anzubraten und dann die Tomaten und die Bohnen, und gossen schließlich auf meine Anweisung hin mit Rotwein auf.
Doch kaum hatte ich erst den halben, dann nach kurzem Zögern den ganzen Beutel mit den schrumpeligen kleinen roten Schoten hinzugefügt, driftete die Klasse auch schon wieder auseinander zu Wein und Zigaretten und langen, trägen Blicken unter schweren Wimpern hervor, die jede meiner Bewegungen mit lauerndem Interesse verfolgten. Eine fast schon tropische Schwüle machte sich breit.
Mir wurde gerade bewusst, dass ich mich schon eine ganze Weile nicht mehr mit der Frage beschäftigte, wann ich den Kochkurs endlich zu Ende brachte, sondern nur noch wie, da ging die Tür auf und Jochen kam herein, zu viel beifälligem Gesumme und Getuschel und dem einen oder anderen anerkennenden Pfiff. Selbst ich strahlte ihn an wie eine Lichtgestalt, wie einen, tja, Retter in der Not.
Das kannst du nicht machen, mahnte ich mich.
Jochen kriegte nichts davon mit. Er kam direkt auf mich zu, die Miene voller Ernst, voller Wichtigkeit, fasste mich am Ellbogen und sagte: »Hast du eine Sekunde, Kristof? Ich muss unbedingt mit dir reden.«
Ah, die Luft draußen war gut, so gut. Kalt, sicher, aber dafür dankenswert frei von Duftstoff-Konzentrationen toxischen Ausmaßes.
Ich atmete tief durch und fragte mich, wie ich’s anstellen sollte, redete mir aber gleichzeitig ins Gewissen.
»Hier, probier mal«, sagte ich und gab Jochen einen von den Keksen, die ich in meiner Hosentasche gebunkert hatte. »Selbst gebacken.«
Jochen blickte ernst in die abendlichen Nebelschwaden, die vom Meer aufstiegen und die Equinox umhüllten, bis man meinen konnte, sie stünde still. Er suchte sichtlich nach Worten und knabberte derweil gedankenverloren den Keks.
»Kristof«, fasste er sich schließlich, fuhr herum und starrte mir direkt in die Augen, »wo genau warst du, als Fjodr geköpft wurde?«
Das traf mich etwas unvorbereitet. Nach dem Fiasko beim Karaoke hatte ich mich schnurstracks auf einen Rundkurs durch die Bars begeben und dort einer Tätigkeit gewidmet, die der Fachmann »beidarmiges Reißen« nennt, und als Resultat waren Orte und Zeiten in meinem Gedächtnis nicht in der gewohnten Schärfe abrufbar.
»Keine Ahnung«, gab ich nach kurzem Grübeln zu.
Jochen nickte.
»Das ist es, Kristof«, sagte er mit der ganzen Feierlichkeit eines Grabredners, »das ist genau das, worüber ich mit dir sprechen wollte. Tatsache ist, Kristof…«, hier legte er mir die Hand auf die Schulter und blickte mich an wie einen Hinterbliebenen, »du hast kein Alibi.«
Ich besah ihn mir mit höflichem Interesse. Jemand hatte ihm ins Gehirn geschissen, keine Frage, doch fehlten mir die Worte, ihm das jetzt mit der geboteten Schonung beizubringen.
»Noch ‘n Keks?«, fragte ich stattdessen und schob ihm einen zwischen die Zähne. Er kaute hastig und wirkte mehr als nur ein bisschen verärgert.
Trotzdem, sagte ich mir, das kannst du nicht machen.
»Verstehst du nicht, was ich sagen will?«, fauchte er, kaum dass er den Keks runtergewürgt hatte. »Meine Ermittlungen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass du der Hauptverdächtige in einem Mordfall bist! Und mit dem Wasser und dem Feuer wolltest du nach der Tat deine Spuren vernichten!«
»Ich muss wieder rein«, sagte ich, was ihn fast aus der Fassung brachte, »sonst brennt mir noch das Chili an.«
»Hier«, drückte ich ihm einen Teller in die Hand und lüftete nebenbei den Deckel der Kasserolle, griff nach einer Schöpfkelle, »probier mal unseren Wackelpudding.«
»Hör zu, Kristof«, raunte Jochen eindringlich und wollte das grüne Zeugs beiseite stellen, da packte ihn Heather am Arm.
»Have a taste«, forderte sie ihn mit viel Geplinker ihrer im Laufe des Nachmittages mindestens fünfmal nachgetuschten Wimpern auf, »have a lick!«
»Kristof, warum ich zu dir gekommen bin, ist Folgendes …«Jochen versuchte das texanische Schwergewicht so gut es ging zu ignorieren, was nicht einfach ist, wenn man dabei von eben jener Person mit Löffel auf Löffel von schlabberigem Glibber gefüttert wird. »Ich werde Antonov über die Ergebnisse meiner Ermittlungen in Kenntnis setzen müssen«, schaffte er zwischen zwei Happen zu quetschen.
»Doch ich fühlte mich verpflichtet, dir das als Erstem zu sagen. Von
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