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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Weiber. Eine Hand voll blau oder lila gefärbter Witwen darunter, doch die ging unter in dem Flächenbrand von flammendem Rot, dem Fanal der von Lebenshunger und der Begierde nach Heimzahlen getriebenen, gegen eine Jüngere ausgetauschten Geschiedenen. Eine ungesunde Energie ging von ihnen aus, Schwingungen, die an Magenknurren erinnerten. Jüngste der Damen war eindeutig Heather, die ausladende Texanerin.
    »Bon apres-midi«, begrüßte ich sie alle huldvoll und zwirbelte eine Spitze meines Hercule Poirot. »Willkommen zu die erste Lektion von unsere kleine Unterweisung in die Kunst von die cuisine.« Ich musste kurz ein bisschen den Rotz hochziehen, doch ansonsten war ich frei von Beschwerden, schwebte eine knappe Handbreit überm Boden der in nachmittäglicher Ruhe wartenden vierten Großküche der Equinox.
    Wir hatten Pfannen, Töpfe, Schüsseln zu Dutzenden in allen Größen, aus Kupfer wie aus Edelstahl, Messer in jedem Format, wir hatten riesige Herde und Ofen zur freien Nutzung, eine unvorstellbare Menge und Vielfalt an Lebensmitteln und Gewürzen zur freien Verfügung, dazu silbernes Besteck, weißes Porzellan, geschliffene Gläser, den Schlüssel zum Weinlager, wir hatten ganze Räume zum Warmhalten und Räume zum Kaltstellen, Gasflammen und Wasserbäder und Wurstmaschinen und Rührbottiche und was weiß ich. Wir hatten alles, einfach alles, was das Herz des Hobbykochs begehren kann. Alles. Plus einen Kochlehrer ohne auch nur den blassesten Schimmer von der Materie.
    Wäre da nicht diese rasend machende Ahnung gewesen, dass ich zur gleichen Zeit, nur halt irgendwo anders auf diesem Schiff, zwei brutale Morde aufklären und mir dabei auch noch die Taschen voll stopfen könnte, bis sie auf dem Boden schleiften, ich hätte mich höllisch amüsiert. Ah, das und Giorgios unverhüllte Drohungen. So aber kreisten meine Gedanken nur darum, wie ich maximale Kürze der Veranstaltung und maximale Zufriedenheit der Teilnehmer in Einklang bringen konnte.
    »Wir fangen an mit eine typisch fronssössisch Hors d’oeuvre: biscuits provencale.« War vielleicht keine schlechte Idee, hatte ich mir gedacht, mit einer Disziplin anzufangen, in der ich zumindest ansatzweise so was wie Praxis hatte. Und das war eben Backen. Kekse backen.
    »Cookies?«, fragte eine nörgelige Stimme. Der ganze Haufen umstand mich halbkreisförmig in ehrfürchtigem Abstand, der lodernde Buschbrand der ersten Reihe nur unterbrochen von Leopold in seinem Chopper, und die nörgelige Frage war eindeutig von weiter hinten gekommen. Wie immer.
    »Wenn der Gentleman einmal vortreten könnte?«, winkte ich ihn mir sofort nach vorn. Etwas ungehalten, so ins Licht gezerrt zu werden, kam er dann aber trotzdem angeschlichen auf seinen Sandalen, gepiesackt von der Stille der Pause, die ich machte, und der daraus resultierenden allgemeinen Erwartungshaltung. Ah, die Macht über die Menge. Ich wartete, bis er direkt vor mir stand.
    »I mean, Cookies aren’t …«, begann er, doch ich fiel ihm augenblicklich ins Wort.
    »Sir!«, ranzte ich ihn an, kalt lächelnd dabei. »Da ist eine Menge preparation von eine Menge Leute nötig gewesen, uns die schöne pantry zu reservieren und diese schöne cooking lesson möglisch zu maken. Ich will doch sehr ‘offen, Sir, dass auch Sie erweisen diese effort die nötige respect!« Er lief ein bisschen an, der Engländer, doch ringsum war zu spüren, wie sich zwanzig Leute fest vornahmen, nicht ebenfalls unangenehm aufzufallen und so vor aller Augen abgekanzelt zu werden. Von da an, kann ich sagen, lief die Kochkürs beinahe wie von selbst.
     
    Ich hätte sie mit den Händen kneten lassen sollen, wegen der sinnlichen Erfahrung, doch mir lief die Zeit davon, und so schmissen wir die Zutaten einfach in den großen Rührbottich, und als die Masse anfing, wie ein Teig auszusehen, griff ich kurz in die Sporttasche und streute noch zwei Hände voll grüner Krümel in den Trog.
    »What’s that?«, fragte mein nörgeliger Freund von der Insel misstrauisch.
    »Herbes de provence!«, strahlte ich in die Runde. »Sie maken, naturellement, das >provencale< an die >biscuit provencales    Ausrollen und ausstechen musste ich sie dann natürlich lassen, sonst hätten sie mir womöglich geflennt, doch ich machte einen Wettbewerb draus, und so hatten wir schon nach ein paar Minuten das erste Blech im

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