Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
Mann zu Mann, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Ajeh.
    »Jochen«, entgegnete ich und rührte mit der Kelle im Chili herum, während sich zwei lichterloh gefärbte, grell geschminkte, explosiv parfümierte Matronen an uns vorbeizureiben versuchten, »hast du mal daran gedacht, dass die beiden Morde in Zusammenhang stehen könnten mit dieser seltsamen Kreditkarten-Geschichte?«
    Elena, dachte ich. Elena, Elena, Elena.
    »Ach«, Jochen winkte ab und bekam einen weiteren Löffel voll verpasst. »Das ist längst aufgeklärt.« Zerfahren suchte er seine Taschen ab, bis er einen Wisch zu fassen bekam. »Lies das«, forderte er mich auf, und Heather schnitt den nächsten Jelly an.
    Ich überflog das Papier. Es war eine in Englisch verfasste Erklärung, dass die Firma Sapporo Electronix für jeglichen durch ihr Produkt Votix entstandenen finanziellen Irrtum haften würde. Jochens Schaden von - die Zahl war mit Kugelschreiber eingetragen, und ich dachte sofort daran, ihr drei Stellen zusätzlich zu verpassen - 1853 3 Euro würden ihm »bei nächster Gelegenheit«, was immer das heißen mochte, erstattet. Eine Absichtserklärung, in meinen Augen, ungefähr so verbindlich wie ein lauwarmer Händedruck und ein leutseliges Lächeln.
    »Und?«, fragte ich. »Was schließt du daraus?«
    »Wir kriegn alle unser Geld widder«, antwortete er und zwinkerte mit den Augen, die anfingen, deutlich entzündet auszusehen.
    »Wir alle?«, echote ich. »Von wie viel Leuten reden wir denn hier?«
    Jochen machte eine wegwerfende Handbewegung. »Paar hunnert«, meinte er leichthin, nahm der Texanerin das Schälchen ab und schlabberte alleine weiter.
    Paar hundert, dachte ich.
    »Gibs zu, Grisdof«, stieß er plötzlich hervor und stach mir fast ein Auge aus mit seinem Löffel, »es war Eifffersucht!«
    Ein paar hundert Konten schwer- bis superreicher Leute leer gefegt. Sicher, es waren nur die Girokonten, doch das Beispiel des Texaners zeigte, dass manche von diesen Typen ständig für erhebliche Umsätze gerüstet sein wollten. Mal eben zehn Ferraris für die Filiale in Dallas erstehen oder eine Fischfarm in Norwegen oder ein Weingut in den Bergen von Pretoria. Schnäppchenjagd auf hohem Niveau. Ich versuchte, mir eine ungefähre Durchschnittssumme vorzustellen und die dann mal ein paar hundert zu nehmen, und kam leicht ins Schwimmen.
    »Mann, warm hier drin«, äußerte Jochen nach einer kontemplativen Pause und lockerte seine Krawatte.
    Ich sah mich um und achtzehn Paar blutunterlaufener Augen belauerten uns wie jagdbares Wild.
    Jochen hatte Recht. Es war warm hier drin. Heiß geradezu. Gedankenverloren hob ich die Schöpfkelle und probierte das Chili. Drehte mich, mir einen ätzenden Kommentar zum Vorwurf der Eifersucht zurechtlegend, dabei wieder zu Jochen, atmete ein. Atmete aus. Und der Erste Borddetektiv stand plötzlich nackt vor mir, nackt und schwarz und qualmend, mit gekreuzten Pflastern auf den Wangen, sein gerade noch so borstiges Haupthaar nur noch ein Halbrund kokelnder Flusen.
    Mit einem Ruck schnappte ich mir das nächste Schälchen und stülpte mir den Vodka Jellie in einem Stück auf die Zunge wie einen Kühlpack über eine Brandverletzung.
    »LIEBER ZU VIEL ALS ZU WENIG« wird noch mal den Stein am Kopfende meiner letzten Ruhestätte zieren.
    »And … how’s it taste?«, wollte Heather wissen, und ich musste ihr die Kelle aus der Hand winden und den Deckel auf die Kasserolle knallen.
    »Maybe a bibble bip boo hop«, versuchte ich am Geleeklumpen auf meiner Zunge vorbei zu formulieren.
    Too hot, ja. A little bit. Mir brach der Schweiß aus. Das Zeugs war Körperverletzung, das konnte man niemandem zumuten, es sei denn …
    Und mir kam eine Idee. Eine tolle Idee.
     
    »Jochen«, raunte ich, eindringlich, fast schon weinerlich, und mischte erst eine und dann noch eine Hand voll reinweißen Pulvers aus der Sporttasche unter die Schüssel mit geriebenem Parmesan, probierte ein bisschen, und das Inferno auf meiner Zunge milderte sich magisch, »du musst mir eine Chance geben. Meine Unschuld zu beweisen. Du musst einfach!«
    Überall im Raum klapperte jetzt Geschirr, wurde von allen Seiten strategisch vorgerückt auf den Topf. Sie hatten Kohldampf, ganz klar, zugedröhnt und angesoffen, wie sie waren.
    »Encore eine Minute!«, jodelte ich fröhlich und gab noch eine Hand voll mehr an den Käse.
    »Wassissas?«, wollte Jochen wissen und ließ sich von Heather sein Rotweinglas nachfüllen. Das, wenn ich richtig mitgezählt

Weitere Kostenlose Bücher