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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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hatte, dritte. Er meinte das Pulver, natürlich. »Glutamat«, behauptete ich, mit vertraulich abgesenkter Stimme. »Geschmacksverstärker. Das Chili ist ein bisschen fad geworden, da helfe ich jetzt auf dem Umweg über den Käse nach.« Die Idee, die tolle Idee war natürlich, auf dem Umweg über den Käse die Geschmacksnerven zu betäuben, bevor sie mit dem Chili in Berührung kamen. Und zur Betäubung nimmt man am besten ein geeignetes … Mittel.
    »Attention!«, rief ich in die Runde, füllte den ersten Teller mit Chili und warf, mit großer Geste, eine Menge Käse drüber. »Chili con Carne á la Pierre wird immer«, Pause, »immer gegessen mit viel, sähr viel von die gerieben fromage!«
    Nach dieser Proklamation wollte ich Jochen den Teller reichen, doch der winkte ab.
    »Bin später noch zum Diner verabredet«, meinte er und drehte mir sein Profil zu, Mimik und Stimme eine Mischung aus Beiläufigkeit und Selbstzufriedenheit, die bei mir die Glocken schrillen ließ. »Im Printemps.«
    Ich starrte ihn bohrend an und gab den Teller weiter an unsere texanische Wuchtbrumme, an der sich niemand vorbeidrücken konnte.
    Jochens linkes Auge stahl sich in den Winkel, bekam mein bohrendes Starren zu spüren und schwenkte sofort in die Weite des Raumes.
    »Ja«, erklärte er, beiläufig und harmlos und an niemanden im Besonderen gerichtet, »der Ka-haraoke-Gewinner hat auf seinen Preis verzichtet, weißt du?«
    Ich wusste.
    »Und Carla …« Vielleicht war es die Wärme im Raum, vielleicht aber auch die Hitze meines Starrens, auf alle Fälle bekam er während des Sprechens einen trockenen Hals und musste dem mit einem großen Schluck Wein abhelfen, »… Carla also hat sich dann einen der anderen Teilnehmer aussuchen dürfen.«
    Auch das wusste ich. Ganz genau.
    »Und sie hat sich an mich gewandt, weil ich doch der einzige verbliebene Bo-borddetektiv bin und sie, wie es scheint, eine Menn-genge fachliche Fragen hat…«
    Alle moralischen Bedenken waren mit einem Mal wie weggeblasen. Eine enorme emotionale Kühle ergriff von mir Besitz.
    »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte ich zu Jochen, der mit rollendem Kopf verträumt und einäugig in sein Glas stierte. »Du vertrittst mich hier ein Viertelstündchen, höchstens, allerhöchstens zwanzig Minuten, und wenn ich dir anschließend keinen hieb- und stichfesten Beweis für meine Unschuld präsentieren kann, dann komme ich freiwillig mit zu Antonov.«
    Jochen war eine Sekunde lang abgelenkt, weil ihm Heather einen Löffel voll Käse und Chili in den Mund schob, doch als er sich dann wieder zu mir drehte, mit einer tiefen skeptischen Falte zwischen den Brauen, da zeigte ich ihm dieses Gesicht völliger, unerschütterlicher Ehrlichkeit, bei dessen Anblick sich Hauptkommissar Menden schon mal eine Zahnfüllung zerbissen hatte.
    Schließlich nickte er und wollte nicht mehr aufhören, bis ich ihm die Schöpfkelle in die Hand drückte und die Kochmütze auf den Kopf, und das Letzte, was ich von ihm sah, war ein Flammenmeer, das ihn von allen Seiten einkreiste und allmählich zu verschlingen drohte.
     
    Nein, die neue Kassiererin, eine lebenslängliche Supermarktangestellte, die man sich irgendwie nicht ohne ihren Arbeitskittel vorstellen konnte, hatte keine Ahnung, wo Elena war und ob und wann sie wieder an ihren Arbeitplatz zurückkommen würde.
    Nein, die graue Maus aus der Wäscherei hatte Elena ebenfalls noch nicht wieder gesehen.
    Nein, auch auf der Krankenstation hatte sich keine Elena gemeldet. Köthensieker war nicht da, also pflanzte ich meinen Arsch auf den Schreibtisch der Schwester und versuchte sie mit ein bisschen halbernster Konversation aufzulockern. War ihr sichtlich unangenehm, das. So unangenehm, dass sie geradezu erleichtert auf die Beine sprang, als ein paar Kabinen weiter die Berlinerin erwachte und mit sich überschlagender Stimme irgendwas von Leichen in Spinat phantasierte.
     
    Auf dem Gang lief mir Ratso in die Arme. Ich stoppte ihn, er sah mich völlig verständnislos an, und ich musste mir den dämlichen Schnäuzer abnehmen, damit er mich erkannte.
    »Jesus, Kristof«, stammelte er und schlug ein Kreuzzeichen. Dann fing er sich wieder. »Tolles Make-up«, fand er. »Bist du sicher, dass wir beide nicht doch noch ins Geschäft kommen könnten?« Und er leckte sich einmal rings um seine Lippen.
    Aus einem Instinkt heraus packte ich ihn am Kragen und wuchtete ihn gegen die nächste Wand.
    »Hoppla«, meinte er, »wir mögen es rau? Rau kostet

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