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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Ofen.
    »Für die zweite cours«, kündigte ich an, während manche noch rollten und stachen, »wir ‘aben eine specialite! La terrine verte á Palsacienne!«
    Da erklangen schon die ersten Stöhner, weil sich der aufgeblasene Titel nach einer komplizierten Zubereitung anhörte, doch ich konnte sie beruhigen.
    »Terrine verte de Chartreuse á l’alsacienne«, raunte und zwinkerte ich vielsagend, »sehr facile zu preparer!« Und da freuten sie sich alle wieder.
    Wir legten direkt los. Gott sei Dank waren die Anweisungen für die Zubereitung auf die Gelatinepackungen aufgedruckt, und als ich selbst mit frenetischem Kratzen am Kopf die Mengenverhältnisse nicht hochgerechnet bekam (der verdammte Bourbon saß mir zwar nicht mehr auf der Zunge, dafür aber sonst wo im Schädel), blickte ich einfach prüfend in die Runde und fragte streng: »Wer kann das kalkulieren?«, und bei Gott, sie rissen sich drum.
    Als man sich auf eine Zahl geeinigt hatte, kippte ich als Erstes (zu viel Getuschel und Gekicher und Geraune) zwei Flaschen des klebrigen grünen Likörs mit der angeblich ach so aphrodisierenden Wirkung in einen großen Topf und füllte mit Wasser auf, wobei ich allerdings einen Liter abzog. Gemeinsam rührten wir Zucker und Gelatinepulver ein, hoben den Pott auf den Herd, ließen die Gasflamme fauchen, und als oben der Dampf aufstieg, schnappte ich mir die etikettlose Flasche aus der Sporttasche und füllte den fehlenden Liter in die giftig grüne Brühe.
    »What’s that?«, wollte eine nörgelige Stimme misstrauisch wissen.
    »Aröme fluide!«, strahlte ich ein ums andere Mal, und weil sich noch ein kleiner Rest in der Flasche fand, hielt ich sie mir kurz unter den Schnäuzer. Keuchte »Für eine immer frische Atem!«, und lachte wie ein Schwachkopf, und die meisten lachten mit.
    Wir hatten das grüne Zeugs noch nicht ganz in die vorgekühlten Schälchen gefüllt, da waren die ersten Kekse schon fertig.
    »A consommer chaude!«, rief ich, sofort. »Zum warm essen!«, rief ich sofort noch mal. »Aber attention! Nischt verbrenne die ‘übsche Kussmünd!«
    Was für ein Schäker du doch sein kannst, Kristof, beobachtete ich mich selbst. Und alle, alle, angefangen mit den lodernd Gefärbten, stimmten mir zu.
    Doch der allgemeinen Zustimmung zum Trotz meinte ich, eine unterschwellige Unruhe zu spüren, eine nicht recht erfüllte Erwartung, wie wenn Weihnachten wieder nur Socken und lange Unterhosen unterm Baum liegen … Dann kam’s mir. Natürlich! Ich holte ihn aus der Hose, und wenn ich ein bisschen länger damit gewedelt hätte, sie wären in Hypnose gefallen, so starrten sie ihn an.
    »Und zu die biscuits empfehle isch …« Einundzwanzig Augenpaare hingen gebannt am Schlüssel zum Weinlager. »… eine Tröpfschen Pouilly Fumee!« Und ein sanftes, vielstimmiges »Aaaaaahhhh!« verriet mir, mal wieder genau richtig gelegen zu haben.
    Waren gar nicht so übel geworden, die Kekse, musste ich nach einmal Reinbeißen feststellen. Einmal Reinbeißen, mehr nicht. Und auch nur ein winziges Schlückchen vom süßen Weine. Ich hatte, anders als meine Schäfchen, die sich die Knabbereien händeweise reinschoben und gläserweise nachspülten, heute noch eine Menge vor.
    Der grüne Glibber war auf jede Menge flache Schüsselchen verteilt und wurde nun in die Kühlkammer verfrachtet. Jetzt, wurde mir schlagartig klar, ging es ans Kochen. Das richtige, echte, ernsthafte. Zutaten wollten geschnippelt, Soßen gerührt, Beilagen auf Bissfestigkeit gegart werden. Die komplette Show. Dies war der Punkt, ging mir auf, den ich innerlich ein bisschen vor mir hergeschoben hatte. Mit anderen Worten: Abgesehen von zwei höchst fragwürdigen Vorspeisen hatte ich nichts vorbereitet. Weder mental noch sonst wie. Mir wurde warm, und zu allem Überfluss schienen meine Lider ausgerechnet jetzt, mit einem Mal, mitten in der Darbietung, entschlossen, den Vorhang runterzulassen.
    Eines Tages werde ich mal ein bisschen schlafen müssen, dachte ich, doch bis dahin …
    »And now?« Die Texanerin kam auf mich zugewogt, Glas in der einen, Keks in der anderen Hand, Wangen so rot wie die Augen, ein sinnenfrohes williges Lächeln quer über die weiche Hügellandschaft ihres Gesichts geschmiert. »What’s next? I bet … with you …«, sie legte den Kopf schräg und schnurrte wie eine Tigerkatze von gut und gerne zweihundert Pfund, »… it has to be something wild and exotic!«
    Ich weiß nicht, wieso, aber dazu fiel mir nur eins ein. Müsste

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