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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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hinunter. Ich konnte nicht anders, als es ihm nachzumachen. »O Mann«, murmelte er, »immer noch!«
    Aus der Mitte seiner schwimmenden Lenden ragte ein glutroter Ständer. Steil genug, und dem Anschein nach auch hart genug, um nötigenfalls eine Bleiweste daran aufhängen zu können, und das, obwohl die Pelle, wenn man genauer hinsah, wirkte, als ob sie jemand mit grobem Schmirgel bearbeitet hätte. 60er Körnung, wenn ich schätzen müsste.
    Ich wand mich innerlich und musste den Blick wieder heben.
    Von Jochens Hals baumelte eine dreireihige Perlenkette, wie ich sie vorher noch nie an ihm bemerkt hatte, und an der Kette hing ein Kabinenschlüssel. Und an dem Schlüssel ein Zettelchen. Ich nahm es an mich.
    Ächzend erhob Jochen sich von der Werkbank, stellte sich hin, quälte sich auf wackligen Beinen bis vor ein Handwaschbecken, drehte das kalte Wasser bis zum Anschlag auf, hielt ihn drunter, und ich meinte, Dampf aufsteigen zu sehen. Sein Rücken war übersät mit Kratzern, und seine linke Gesäßbacke wies einen tiefen Abdruck auf, den ich nicht recht zuordnen konnte, bis mir ein Blick auf die Werkbank verriet, dass Jochen auf einem weiteren Kabinenschlüssel gelegen haben musste.
    »Wie die … wie die Tiere sind sie über mich hergefallen«, erinnerte er sich mit Schaudern.
    »Willst du wissen, was auf dem Zettel steht?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte Jochen, mit Schaudern, und das kalte Wasser lief und lief.
    »>Loverboy<«, las ich vor, »>bring zurück mir mein Geschmeide, und ich lass dich in meine - Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen.< Loverboy ist unterstrichen und mit Ausrufezeichen versehen«, erklärte ich, »und ich denke, Pünktchenpünktchenpünktchen soll sich reimen auf >Geschmeide<. Fällt dir was dazu ein?«
    Jochen gab ein gequältes Stöhnen von sich.
    »Wie die … wie die Furien«, meinte er. »Sie haben das Chili und den Käse runtergeschlungen, und dann sind sie kollektiv ausgerastet, einfach so.« Er stellte das Wasser ab, drehte sich wieder zu mir. Der Ständer war ihm vergangen, dafür sah sein Schwanz jetzt aus wie ein frisch gehäutetes kleines Tier. Ein Maulwurf vielleicht. Ich bin kein Typ für Sentimentalitäten, doch dies war ein Anblick, um einem jeden Männerherzen einen Stich zu versetzen.
    »Also ich an deiner Stelle würde da ordentlich Jod drauftun«, riet ich ihm. »Zur Desinfizierung.« Doch er hörte nicht zu.
    »Leopold hat es irgendwie kommen sehen«, erinnerte er sich.
    Nicht nur der, dachte ich, so für mich.
    »Der hat sich früh genug verpisst.«
    Wenn er mal schlau war, dachte ich.
    »Der Engländer ist im letzten Augenblick entkommen, splitterfasernackt bis auf die Sandalen. Doch ein paar sind hinter ihm her, und gnade ihm Gott, sollten sie ihn erwischt haben.« Jochen versuchte, sich die Hose hochzuziehen, und ein Kabinenschlüssel fiel heraus, mit einem Zettelchen dran.
    »Der Berliner«, erzählte er weiter, mit dem verwirrten Staunen von jemandem, der Schritt für Schritt aus einem Alptraum erwacht, »der Berliner ist, glaube ich, einfach über Bord gesprungen.«
    Die Hose war nicht mehr zu retten, vom Schlitz bis zum Arsch mitten durchgerissen. Ich half, sie irgendwie zurechtzuziehen, fühlte etwas Sperriges und fingerte einen Kabinenschlüssel aus der Gesäßtasche. Ohne Zettel dran. Die, wenn man so will, kommentarlose Sorte.
    »Da blieb nur noch ich«, meinte Jochen matt. »Kristof, du kannst dir nicht vorstellen …«
    »Doch, doch«, unterbrach ich ihn rasch.
    »Zu zweit, zu dritt auf einmal sind sie über mich her.«
    »Na, na«, machte ich beschwichtigend. Wenn das mal nicht übertrieben war. Ich meine, zu zweit könnte man sich ja noch ausmalen - oder vielleicht besser nicht.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, was ich alles zu Gesicht …«
    »Doch, doch«, versicherte ich hastig, »lebhaft.«
    Jochen schlüpfte in einen Schuh, zog eine Grimasse, nahm den Fuß wieder raus, hob den Schuh hoch, schüttelte ihn und ein Kabinenschlüssel fiel heraus.
    Ich half ihm dann mit dem andern, in dem gleich zwei versteckt waren.
    Schau, schau, dachte ich. Bisschen ein Womanizer, unser Jockel.
    »Lass uns hier abhauen«, meinte ich, legte seinen Arm um meine Schultern und stützte ihn, so gut ich konnte. »Wir haben eine Menge zu besprechen.«
    Eigentlich hatte ich damit zu Antonov gewollt, ein Vorhaben, das mir jetzt, nach kurzer Überlegung, völlig übereilt erschien.
    Jochen nickte benommen, setzte einen zittrigen Fuß vor den anderen.
    »Du kannst dir nicht

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