Equinox
aus«, forderte mein Blick, »sprich es aus, und anschließend lass ich dich vielleicht dabei zusehen, wie ich dir die Bauchhöhle mit einem stumpfen Messer ausweide.« Von Zeit zu Zeit habe ich diesen Blick mal drauf. Kein wirklich hübscher Anblick, habe ich mir sagen lassen, doch er verfehlt nie seine Wirkung.
»Wenn wir vielleicht zum Thema zurückkommen könnten?«, schlug ich vor, mit einer Kälte, die den Dampf in der Luft als Schnee herabrieseln ließ.
Hatte ich tatsächlich gerade noch mit dem Gedanken gespielt, mich mit diesem pedantischen Fachidioten zu einem Team zusammenzuspannen? Mir war danach, mir allein für die Idee irgendeinen körperlichen Schaden zuzufügen.
»Ich meine ja nur, wenn dich einer erwischt …«, fand Jochen seine Zunge wieder.
»Lass das meine Sorge sein«, schnappte ich. »Geht aus dem Ausweis hervor, welchen Teil der Grenze Wassilij schützen sollte?«
Die Nordmeerküste lag nahe. Obwohl ich nicht sehen konnte, inwiefern unser Ausflugsdampfer eine Bedrohung für die russische Souveränität darstellen könnte.
Die Nase wieder in das Dokument. »Stationiert war er in, wenn ich das recht entziffere, Korsakov«, murmelte er.
Ich versuchte im Geiste, Korsakov irgendwo in der Weite der russischen Landkarte zu platzieren, und, als das misslang, irgendwo an die Länge seiner Grenzen. Wurd auch nichts draus.
»Regierungsbezirk Juschno-Sachalinsk«, fügte Jochen hinzu.
Wo immer der sein mag, dachte ich. »Auf Sachalin«, meinte er.
Ja, das hatte ich schon mal gehört. Sachalin … war das nicht der berühmte Regimekritiker? Seltsam, womit man alles berühmt werden kann.
»Eine Insel, ein Stück nordöstlich von Wladiwostok.«
Wladiwostok. Genau. Nun, jedes Kind kennt Wladiwostok, oder nicht? Das liegt da, ziemlich rechts, irgendwo.
»Juschno-Sachalinsk ist die Hauptstadt von Sachalin, Sachalin ist Teil der Kurilischen Inseln, und ihr nächster Nachbar ist Hokkaido, mit der Hauptstadt Sapporo, und die gehört zu …«
Und ich machte einen Satz in die Höhe.
»Japan!«, schrie ich.
SIEBEN
»Los, Jochen«, forderte ich lebhaft, »erzähl mir noch mal genau von dieser Orgie!« Jochen schluckte sichtlich und blickte mich voller Widerwillen an. »Ich muss jedes Detail wissen!«
»Nun«, begann er zögerlich, »wo, ahm, wo soll ich anfangen?«
»Ihre Arsche! Wiederhol noch mal, was du mir über ihre Arsche erzählt hast!«
»O Gott, Kristof«, bat er, »ist das so wichtig?«
»Eminent!«, versicherte ich ihm.
»Nun«, begann er mit säuerlicher Miene, »also stell dir mal dein Skrotum vor.«
Hä?, dachte ich. Mein was?
»Deinen Sack.«
Hä?, dachte ich. Meinen was?
»Deinen Hodensack. Adern, Pickel, Falten, Haare, alles. Nur«, er spreizte die Finger beider Hände und nahm die Arme auseinander in Andeutung einer Kugel von Gymnastikball-Ausmaßen, »ungefähr so groß«, sagte er, und mir wurde das Missverständnis bewusst.
»Ich meinte etwas anderes«, bekannte ich.
»>… und dann haben sie alle ihre Hosen runtergelassen, dass man ihre tätowierten Arsche sehen konnte …<. Genau so hat Jochen das beschrieben«, ereiferte ich mich, »und genau das muss auf dem Videoband zu sehen sein.«
»Ja, ja«, sagte Antonov, nahm einen Schluck von seinem Tomatensaft und musterte mich kühl. »Ja, ja, ja.«
»Und?«, fragte ich, ungeduldig. »Wollen wir uns das nicht mal ansehen? Dann die Passagierlisten durchchecken, vielleicht die Behörden in Japan kontaktieren, solange es noch geht? Wenn es noch geht?«
»Wir?«, fragte Antonov zurück und musterte mich noch ein bisschen kühler. Einmal von oben bis unten und wieder zurück.
Ich fühlte, wie meine Rechte von ganz allein nach dem Kristallaschenbecher tastete, um ihn meinem Gegenüber mit Schmackes über den sturen Quadratschädel zu ziehen.
Die einzigen Leute in Japan, die Tätowierungen tragen, sind - Yakuza. In Syndikaten organisierte japanische Gangster. Und die Equinox hatte, wie es aussah, rund ein Dutzend dieser Typen an Bord.
»Ob und wo unsere Passagiere tätowiert sind, Kryszinski, interessiert uns, die Security, erst mal einen Furz. In etwa genauso viel und genauso wenig wie das aufgeregte Gejapse eines …« Hier sah er mir in die Augen. Und vergaß weiterzusprechen.
Ich zwang mich zu äußerer Ruhe, konzentrierte mich ganz auf das, was ich zu sagen hatte. »Fast allen Inhabern der japanischen Ginza-Kreditkarte sind in den letzten Tagen auf dem Umweg über die Supermarkt-Kasse und den von einer
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