Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
was?«
Markus steht auf und schiebt den Stuhl unter den Tisch.
»Ich hab meine Finger übrigens an gar nichts«, sagt er. »Hab es nur einmal probiert. Ich mach mich dann mal auf den Weg. Bis morgen.«
Ich nicke.
Als die Wohnungstür hinter ihm ins Schloss fällt, räume ich den Tisch ab und gehe ins Bett. Warum habe ich eigentlich so heftig reagiert? Markus ist ein experimentierfreudiger Mensch, das ist nichts Neues. In der Oberstufe hat er ein paarmal Hasch geraucht, nur um es mal auszuprobieren. Und damit war’s auch gut.
Bevor ich einschlafe, richte ich die Leselampe in das Zimmer hinein. Fahre mit dem Lichtkegel in meiner kleinen Wohnung herum wie mit einem Suchscheinwerfer. Meine Wohnung. Sie ist schon richtig gemütlich. Bis auf den kahlen Mauervorsprung. Da muss ich mir noch was einfallen lassen. Aber das hat keine Eile.
Am nächsten Morgen regnet es, also lasse ich das Rad stehen und fahre mit dem Bus zur Arbeit. Das Miranda ist schon seit Generationen der zentrale Treffpunkt für die Oberstufenschüler und Gymnasiasten. Und fast genauso lange sah es unverändert aus: minzgrüne Wände mit weiß marmorierter, brusthoher Holzvertäfelung und schweren, gusseisernen Stühlen und Tischen. Aber in letzter Zeit hat Karim, dem das Café gehört, ziemlich viel verändert. Als der verschlafene Nähladen nebenan eines Tages zum Verkauf stand, hat er ihn gekauft, alle Nadeln und Stoffrollen verscheuert und einen Durchbruch zwischen beiden Lokalen machen lassen. Er hat das Ganze ungefähr in dem gleichen Grün und Weiß wie vorher gestrichen, aber neue Tische und mit Stoff bezogene Stühle aus Birkenholz gekauft. Und dann hat er mich eingestellt. Es gibt immer mal wieder Gäste, die bedauern, dass der Treffpunkt nicht mehr das ist, was er einmal war, aber die meisten finden die Veränderung positiv. Immerhin ist das Lokal jetzt doppelt so groß. Früher brauchte man eine Menge Glück, um einen Tisch zu ergattern, oder man musste zu denen gehören, denen grundsätzlich Platz gemacht wurde. Jetzt kriegt man immer einen Platz. Ich arbeite gerne dort, hab selber so oft mit Freunden dort gesessen und viele nette Erinnerungen daran. Und Karim ist klasse. Er ist wie ein Vater für Sofi und mich und alle seine Gäste.
Die Montage sind immer ziemlich ruhig im Miranda. Zumindest die ersten Stunden. Um die Mittagszeit kommt ein Schub Gäste zwischen dreißig und fünfzig, hauptsächlich Frauen, die Bagels, Baguettes oder Ciabattas essen. Sie mögen sie am liebsten mit Pesto, Mozzarella, getrockneten Tomaten, Sprossen, Parmaschinken und solchen Sachen. Mein Tag beginnt mit dem Schmieren der Brote. Besonders mag ich das Dekorieren mit Salatblättern, Sonnenblumenkernen und hübsch dünn geschnittenen Paprikaringen, um dann den Käse oder einen anderen Belag auf appetitliche Weise darauf zu drapieren. Karim ist zufrieden mit mir. Er behauptet, dass er mehr belegte Brote verkauft, seit ich da bin. Sofi findet das Schmieren der Brote oberöde, was man am Ergebnis sieht. Dafür steht sie gerne an der Kasse und läuft mit Lattegläsern und Blaubeermuffins zwischen den Tischen hin und her, unverdrossen gut gelaunt, immer freundlich und zum Plaudern aufgelegt. Ich selbst habe es ziemlich schnell über, freundlich zu lächeln und immer wieder zu sagen: »Natürlich, bin schon unterwegs.« Normalerweise wird nicht an den Tischen serviert, außer wenn jemand etwas bestellt hat, das warm gemacht werden muss, oder einen Kaffee, der länger in der Zubereitung dauert. Und wenn wir schon mal unterwegs sind, denken viele, sie können von ihrem Platz aus ja gleich mal eine Bestellung aufgeben. Sobald wir in der Nähe sind, haben die Leute immer irgendetwas anzumerken. Entweder ist die Portion zu groß oder zu klein, der Muffin zu kompakt oder luftig, das Teewasser nicht heiß genug oder die Kaffeetassen sind zu klein. So gesehen sind Sofi und ich das perfekte Team. Sie hat ein echtes Händchen für die Gäste, und ich tu gern all das, was ihr am wenigsten liegt und in der Küche erledigt werden muss wie Servietten falten, die Geschirrspülmaschine ein- und ausräumen, Brote belegen oder Kaffee in der Kaffeemaschine nachfüllen.
Sofi hat ihr Haar zu einem buschigen Pferdeschwanz hoch oben am Hinterkopf gebunden. Mit der grünen Schürze, die Karim zur Wiedereinweihung des Miranda gekauft hat, sieht sie fast ein bisschen altmodisch aus. Ich sehe damit einfach albern aus. Solcher Rüschenkram war noch nie mein Ding. Ich sah schon als kleines
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