Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
armen Eingeborenen die Bibel aufs Auge zu drücken?«
Markus macht eine abwehrende Geste. »Ich meine irgendein Hilfsprojekt! Ich sehe dich in luftigen Leinenklamotten vor mir, wenn du kleinen schwarzen Kindern mit dünnen Beinen Lesen und Schreiben beibringst. Und in den Pausen reinigst du tropische Wunden von Eiter und legst neue Verbände an. Du bist braun gebrannt und dein Haar ist von der Sonne gebleicht, auf deiner Stirn hat sich eine kleine Sorgenfalte gebildet, aber gleichzeitig strahlst du Kraft und Freude aus, weil du endlich deine Aufgabe gefunden hast, fühlst, dass du gebraucht wirst. Nur ganz tief in deinem Innern ist ein kleiner, trauriger Schatten, die leise Erinnerung an einen Jungen, den du haben wolltest, von dem du aber wusstest, dass du ihn niemals kriegen kannst …«
»Hör auf.« Ich lache. »In was für einem Arztroman hast du das denn gelesen?«
»Wie läuft es mit Adrian?«
»Es läuft gar nichts mit Adrian!«
»Nö, nö.«
»Wo bist du eigentlich, wenn ich in der Missionsstation die Wunden verarzte?«
»Ich habe eine Gastprofessur an der Philosophischen Fakultät in Nairobi oder Kinshasa oder wo immer es so was gibt. Und an den Wochenenden fahre ich raus in dein Dorf und studiere ethnische Traditionen.«
Ich lache. »Du bist echt verrückt, Markus. Und deswegen mag ich dich so.«
Er trinkt seinen Tee aus und steht auf. »Ich fahr jetzt jedenfalls nach Hause. Wir hören, Emmis!«
Ich nicke. Und kaum ist Markus aus der Tür, hocke ich auch schon wieder vorm Computer. Scheint schon ein Reflex geworden zu sein. Ich kann es nicht unterdrücken.
Adrian ist nicht eingeloggt, aber in meiner In-Box wartet eine Mail.
Ich habe einen Käufer für die Suzuki. Mist, verdammter! Immerhin bietet er siebentausend Kronen mehr, als ich bezahlt habe, das ist ja nicht schlecht. Trotzdem traurig. Hätte ich das Ding doch nie gekauft. Na ja, nun ist sie bald weg.
Dachte, das könnte dich interessieren.
Umarmung /A
Ellinor steht schon in der offenen Tür, als ich aus dem Fahrstuhl trete. Wahrscheinlich hat sie mich unten ins Haus gehen sehen. Ich überreiche ihr die Flasche Sweet Chili und eine orangefarbene Gerbera, die ich am Vormittag gekauft habe. Verglichen mit ihrem und Adrians Beitrag zu meinem Einweihungsfest komme ich mir ziemlich geizig vor.
»Ich wollte eigentlich eine Flasche Wein mitbringen«, sage ich entschuldigend, »aber momentan bin ich etwas knapp bei Kasse.«
»Ach was. Ich liebe Gerbera, das weißt du doch!«, sagt Ellinor und umarmt mich herzlich. Ihr geföhntes Haar fällt weich um ihr Gesicht, ihr Lidschatten ist genauso blau wie ihre Augen und die Lippen glänzen.
»Komm rein! Tilde und Rosie sind auch schon da.«
Ich hänge meine Jacke auf und streife dabei eine schwarze Lederjacke. Adrians schwarze Lederjacke. Sie ist weich und kühl an meinem Handrücken. Ich habe mich gerade wieder einigermaßen im Griff, als Adrian in der Türöffnung zur Küche auftaucht.
Ich habe mir eingeredet, dass er natürlich nicht zu Hause sein wird, darum bin ich völlig unvorbereitet, als er plötzlich vor mir steht und mich über Ellinors Schulter ansieht. Sein Blick ist direkter und intensiver, als ich ihn jemals gesehen habe, und der Versuch, meine Lippen zu einem ungezwungenen Lächeln zu verziehen, missglückt komplett. Wo ist der Sauerstoff in meinem Gehirn?
»Hallo«, sagt er.
»Hallo«, sage ich.
Zumindest soll es ein Hallo sein, auch wenn es eher wie ein Einatmen klingt.
Ellinor bemerkt meinen seltsamen Gesichtsausdruck, missdeutet ihn aber glücklicherweise.
»Keine Sorge«, sagt sie munter. »Er ist gleich weg! Kein Mann bei meinem Mädelabend, nicht mal mein eigener.«
Sie zeigt Adrian die Gerbera, sagt was von einer Vase und schiebt sich an ihm vorbei in die Küche.
Ich schlucke kräftig und strenge mich an, mich wieder unter Kontrolle zu kriegen. Manchmal ist das Leben wie die vorgeschriebene Fahrstunde auf glattem Untergrund: Fuß vom Gas und Lenkrad festhalten, bis die Reifen wieder greifen.
»Hm«, fange ich an und versuche, ganz unberührt zu klingen, »und was machst du heute Abend, wo wir dich aus deinem eigenen Heim vertreiben?«
Er zuckt mit den Schultern. »Irgendein Kumpel wird schon zu Hause sein.«
Ich nicke und komme ums Verrecken nicht drauf, was ich noch sagen könnte. Er lacht und zuckt entschuldigend mit den Schultern, als hätte er noch nie in seinem Leben Small Talk gemacht. Da traue ich mich auch zu lachen, und kriege prompt heiße Wangen. Gott
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