Er ist der Freund meiner Freundin: Roman (German Edition)
Sofa, die Füße auf der Rückenlehne, damit das Blut in den Rest des Körpers zurückfließen kann, während Markus den DVD-Spieler vorbereitet.
»Ich habe Hunger«, sagt er. »Soll ich schnell eine Pizza holen gehen?«
»Wenn du bezahlst«, sage ich. »Edwin hat sich Geld von mir geliehen, bis zum nächsten Lohn muss ich echt geizen.«
Markus hat fünfundfünfzig Kronen und ich kann zehn beisteuern.
»Nimm eine, die nach was schmeckt«, sage ich.
»Azteka?«
»Einverstanden.«
Sobald er weg ist, schwinge ich meine schweren Beine vom Sofa und stelle den Computer an. Setze mich auf den Stuhl und warte ungeduldig, während es rauscht und rattert, rufe das Netzwerk auf und lasse das Virusprogramm laufen und was man sonst noch beachten muss, ehe man loslegen kann. Ich logge mich bei MSN ein, aber nur wenige meiner Kontakte sind eingeloggt. Und keiner von ihnen ist Adrian. Doch wenn ich mich zum Konversationsfenster vorklicke, ist wenigstens sein Bild da, wenn auch von einer blassen Schicht überzogen, als Zeichen, dass er offline ist. Ich sehe ihn mir eine Weile an, bevor ich Outlook Express öffne. Da ist auch nichts. Wahrscheinlich ist er noch gar nicht von der Arbeit zu Hause, was erwarte ich eigentlich? Fakt ist, dass ich überhaupt nichts erwarten dürfte, weder jetzt noch irgendwann anders.
Wie um mein Gewissen zu erleichtern, schnappe ich mir das Telefon und rufe Ellinor an.
»Wie geht’s?«, frage ich.
»Ganz gut. Schön, dass du fragst. Die anderen behandeln mich in letzter Zeit total merkwürdig. Ich habe das Gefühl, als wüsste die halbe Stadt, dass Adrian und ich uns auf deinem Fest gestritten haben. Was ist daran so unnormal?«
Mein Herz flattert aufgeregt durch meinen Brustkorb, als ich seinen Namen höre, und ich frage mich, ob es mir wirklich um Ellinor geht oder ob ich eher eine Art Nähe zu Adrian suche, die einzig zulässige Art von Nähe.
»Alle sehen euch als das glücklichste Paar der Welt, das weißt du doch«, sage ich und versuche, sehr entspannt und normal zu klingen.
»Aber das perfekte Paar gibt es nicht! Man kann doch nicht in allem einer Meinung sein, das wäre ja krank. Oder?«
»Klar. Scher dich einfach nicht um das Gerede der Leute. Das legt sich auch wieder.«
Ellinor seufzt.
»Hoffentlich. Und wie geht’s dir? Hast du dich schon eingelebt in deiner Wohnung?«
»Ich liebe sie.«
»Schön, sie passt irgendwie zu dir.«
»Was meinst du mit ›passen‹?«
Sie lacht. »Ich weiß nicht, einfach so. Sie ist schön, vertraut und gemütlich, genau wie du!«
Mein Gewissen brennt Löcher in meinen Bauch. Gerade habe ich noch nach einer Mail von ihrem Freund gesucht. Ich muss sofort damit aufhören. Muss, muss, muss!
»Was soll ich morgen mitbringen?«, frage ich, um auf greifbarere Dinge zu kommen.
»Du brauchst gar nichts mitzubringen. Oder doch! Hast du Sweet Chili-Soße? Ich war heute einkaufen, aber die hatten keine! Ich koche was Asiatisches, das mögen, glaube ich, alle.«
»Ich dürfte noch eine halbe Flasche haben.«
»Nice. Dann muss ich nicht noch mal los.«
»Wer kommt?«
»Nicht so viele: du, Tilde, Rosie, Vera Sjölin, die fast alle Kurse mit mir gemeinsam hat, und Rebecka Grönvall … Die hast du schon mal getroffen, oder? Sie absolviert den kulturwissenschaftlichen Zweig, Ganztagsschule, supernett, hochintelligent.«
»Das klingt gut. Und was macht Adrian an deinem Mädelabend?«
Ich beiße mir strafend auf die Lippe. Unzulässige Frage! Viel zu auffällig. Zum Glück scheint Ellinor nichts zu merken.
»Er macht sich einen schönen Abend mit seinen Motorradfreunden und seiner Suzuki«, sagt sie.
»Aha«, murmele ich einfallslos.
Erwartet sie, dass ich was zu dem Motorrad sage? Ellinor weiß ja nicht, dass ich weiß, dass er es verkaufen will. Hoffentlich verplappere ich mich nicht. Gibt es noch mehr, was ich nicht von ihr wissen kann? Ellinor beendet das Gespräch, ehe ich mit meinen Gedanken zu Ende bin.
»Also dann, bis morgen. Vergiss die Chilisauce nicht!«
»Versprochen.«
Als ich die Aus-Taste drücke und das Handy weglege, wird mir klar, wie dünn das Eis auf dem bis eben noch ganz harmlosen und sicheren See plötzlich ist. Als wären überraschend Strömungen und Bewegungen entstanden, die es vorher nicht gab. Plötzlich muss ich jedes Wort genau abwiegen und prüfen, ob das Eis trägt oder bricht. Ich muss Markus gegenüber die richtigen Worte finden, Sofi, Adrian und Ellinor gegenüber und selbst bei Papa! Wie kommt das?
Ich gehe
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