Er ist wieder da
Paulus, diesem ehrlosen Lump?
Aber hier galt es dem Groll Einhalt zu gebieten, streng den gerechten Zorn von der blinden Wut zu scheiden. So wie das Volk zu seinem Führer stehen muss, so muss auch der Führer zu seinem Volke stehen. Der einfache Landser hat unter der richtigen Führung noch stets sein Bestes gegeben, kein Vorwurf ist ihm zu machen, wenn er nicht treu ins feindliche Feuer marschieren kann, weil feiges, pflichtvergessenes Generalsgesindel ihm den ehrlichen Soldatentod unter den Stiefeln hinwegkapituliert.
»Ja!«, rief ich daher aus, ins Dunkel des Kiosks hinein. »Ja! Ich will! Und ich werde! Ja, ja und abermals ja!«
Die Nacht antwortete mir mit schwarzer Stille. Dann ließ sich von unfern ein einsamer Rufer vernehmen:
»Genau! Alles Arschlöcher!«
Es hätte mir eine Mahnung sein sollen. Doch wenn ich damals schon von den zahllosen Mühen, den bitteren Opfern gewusst hätte, die ich in der Folge würde bringen müssen, von den harten Qualen des ungleichen Kampfes – ich hätte meinen Schwur nur umso kräftiger in doppelter Lautstärke getan.
v.
S chon die ersten Schritte fielen mir schwer. Es war dies jedoch keine Frage fehlender Kraft, tatsächlich kam ich mir in der geliehenen Kleidung vor wie ein Idiot. Hose und Hemd gingen noch an. Der Krämer hatte mir ein Paar saubere blaue Baumwollhosen mitgebracht, die er »Schiens« nannte, dazu ein sauberes rot kariertes Baumwollhemd. Ich hatte eigentlich eher mit Anzug und Hut gerechnet, aber bei näherer Betrachtung des Zeitungskrämers musste ich das im Nachhinein als illusionär abtun. Dieser Mann trug in seinem eigenen Kiosk keinen Anzug, und, soweit ich hatte beobachten können, war auch seine Kundschaft wenig bürgerlich gekleidet. Hüte, dies nur der Vollständigkeit halber, waren offenbar generell unbekannt. Ich beschloss, dem Ensemble mit meinen bescheidenen Mitteln so weit als möglich Würde zu verleihen, indem ich entgegen seiner bizarren Vorstellung, das Hemd einfach lose über der Hose zu tragen, das Hemd sogar besonders tief in meinen Hosenbund schob. Mit meinem Gürtel gelang es mir, die etwas zu weite, aber stramm hochgezogene Hose ordentlich zu befestigen. Dann schnallte ich meinen Riemen über die rechte Schulter. Der Gesamteindruck war zwar nicht der einer deutschen Uniform, aber doch in jedem Falle wenigstens der eines Mannes, der sich anständig zu kleiden wusste. Die Schuhe hingegen blieben ein Problem.
Der Zeitungskrämer hatte, wie er mir versicherte, in Ermangelung anderer Bekannter mit passender Größe ein eigenwilliges Paar von seinem halbwüchsigen Neffen mitgebracht, wobei allerdings fraglich war, ob man sie Schuhe nennen konnte. Sie waren weiß, riesig, mit gewaltigen Sohlen, sodass man in ihnen lief wie ein Zirkusclown. Ich musste sehr an mich halten, um diese Spottschuhe nicht an den trotteligen Krämerskopf zu schleudern.
»Das trage ich nicht«, betonte ich, »darin sehe ich aus wie ein dummer August!«
Er machte, wohl gekränkt, eine Bemerkung dahingehend, dass er mit meiner Art, das Hemd zu tragen, auch nicht einverstanden sei, aber ich sah es ihm nach. Ich legte die Hosenbeine eng an meine Waden und schob die Schienshose in meine Stiefel.
»Sie wollen wohl partout nicht aussehen wie normale Leute?«, fragte der Zeitungskrämer.
»Wo wäre ich, wenn ich immer alles so gemacht hätte wie die sogenannten normalen Leute?«, gab ich zurück. »Und wo wäre Deutschland?«
»Hm«, sagte der Zeitungskrämer beschwichtigt und zündete sich wieder eine Zigarette an, »so kann man’s auch sehen.«
Er legte meine Uniform zusammen und schob sie in einen interessanten Beutel. Auffällig daran war nicht nur das Material, eine Art sehr dünner Kunststoff, offenbar viel strapazierfähiger und flexibler als Papier. Interessant war der Aufdruck: »Media Markt« stand darauf, anscheinend hatte der Beutel zuvor als Verpackung für die Idiotenzeitung gedient, die ich unter jener Parkbank gesehen hatte. Das zeigte, dass der Zeitungskrämer im Grunde seines Wesens durchaus vernünftig war – den nützlichen Beutel hatte er behalten, den schwachsinnigen Inhalt aber weggeworfen. Der Zeitungskrämer drückte mir den Beutel in die Hand, beschrieb mir den Weg zur Reinigung und sagte fröhlich: »Viel Spaß!«
Also machte ich mich auf, wenn auch nicht sogleich zur Reinigung. Mein erster Weg führte mich zurück zu jenem Areale, auf dem ich erwacht war. Trotz meiner völligen Unverzagtheit konnte ich nicht die vage Hoffnung
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