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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timur Vermes
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kleinster Verhältnisse ein Rednertalent unter den vielen, unter den Hoffnungslosen gezeigt, ausgerechnet dort, wo man es am wenigsten vermutet hätte? Hatte sich nicht in diesem Talente auch ein erstaunlicher Wissens- und Erfahrungsschatz offenbart, gesammelt in bittersten Wiener Tagen, einer unstillbaren Wissbegier geschuldet, die den Heranwachsenden mit wachem Verstand von frühester Jugend an alles aufsaugen ließ, was mit Geschichte und Politik zusammenhing? Wertvollste Kenntnisse, scheinbar zufällig eingelagert, doch in Wahrheit von der Vorsehung sorgsam Krume für Krume in einem einzelnen Manne angehäuft? Und hatte nicht dieser eine, dieser unscheinbare Gefreite, auf dessen einsamen Schultern Millionen ihre Hoffnungen auftürmten, hatte nicht er die Fesseln von Versailles und Völkerbund gesprengt, mit von den Göttern verliehener Leichtigkeit die aufgezwungenen Kämpfe mit den Heeren Europas bestanden, gegen Frankreich, gegen England, gegen Russland, hatte nicht dieser vorgeblich nur mäßig gebildete Mann gegen das einhellige Urteil aller sogenannten Fachleute das Vaterland auf die höchsten Höhen des Ruhmes geführt?
    Nämlich ich.
    Jedes einzelne Ereignis, so dröhnte es still in meinen Ohren, jeder einzelne Sachverhalt damals war schon für sich allein genommen unwahrscheinlicher gewesen als alles, was mir in den letzten zwei, drei Tagen widerfahren war. Messerscharf bohrte sich jetzt mein Blick durch das Dunkel zwischen einem Behälter für Dauerlutscher und einem für Fruchtbonbons hindurch, wo das klare Mondlicht nüchtern wie eine eisige Fackel meinen Geistesblitz illuminierte. Gewiss, dass ein einsamer Streiter ein ganzes Volk aus einem Sumpf von Irrwegen herausführte, eine wundersame Begabung, das konnte natürlich vorkommen, einmal in hundert oder zweihundert Jahren. Aber was wollte das Schicksal denn tun, wenn dieser kostbare Trumpf schon ausgespielt war? Wenn im vorhandenen Menschenmaterial kein Kopf sich fand, dem man die nötige Geistesgegenwart zusprechen konnte?
    Dann musste es ihn wohl oder übel aus dem Talon der Vergangenheit herüberretten.
    Und es war das zwar fraglos eine Art Wunder, aber doch ein unvergleichlich leichter zu bewältigendes denn die Aufgabe, dem Volke aus dem vorhandenen minderwertigen Bleche ein neues scharfes Schwert zu verfertigen. Und noch während diese Einsichten mein unstetes Denken mit ihrer luziden Klarheit zu beruhigen begannen, stieg eine neue Besorgnis aus meiner nunmehr hellwachen Brust. Denn dieser Schluss führte zugleich einen weiteren herbei wie einen ungeladenen Gast: Wenn denn das Schicksal zu einem solchen – und man musste es ohne Umschweife so nennen – Taschenspielertrick genötigt war, dann musste die Lage, obzwar sie auf den ersten Blick eher ruhig geschienen hatte, in Wirklichkeit noch verheerender sein als damals.
    Und das Volk in umso größerer Gefahr!
    Es war dieser Augenblick, in dem mir gleißend hell wie eine Fanfare bewusst wurde, dass jetzt nicht mehr der Moment war, Zeit mit akademischen Überlegungen zu verschwenden, im kleinlichen Brüten über »wie« und »ob« zu versinken, wo doch das »Warum« und das »Dass« die weitaus wesentlicheren Aspekte waren.
    Jedoch galt es noch eine Frage zu beantworten: Warum ich? Wenn doch so viele Große in der deutschen Geschichte auf eine zweite Gelegenheit warteten, ihr Volk zu neuem Ruhm zu führen?
    Warum nicht ein Bismarck, nicht ein Friedrich  II .?
    Ein Karl?
    Ein Otto?
    Die Antwort auf diese Frage fiel nach den anfänglichen Überlegungen so leicht, dass ich beinahe geschmeichelt schmunzelte. Denn die herkulische Aufgabe, die hier ihrer Bewältigung harrte, schien wahrlich geeignet, selbst tapferste Männer, große und größte Deutsche in die Schranken zu weisen. Allein, auf sich gestellt, ohne Parteiapparat, ohne Regierungsgewalt, damit galt es denjenigen zu betrauen, der bereits einmal gezeigt hatte, dass er zum Ausmisten eines demokratischen Augiasstalles in der Lage gewesen war. Die Frage, die es nun zu beantworten galt, war: Wollte ich all jene schmerzlichen Opfer erneut, ein zweites Mal auf mich nehmen? Alle Entbehrungen schlucken, ja voll Verachtung hinunterwürgen? In einem Sessel nächtigen unweit eines Wasserkessels, in dem tagsüber schlichte Rindswürstchen zum Verzehr erhitzt wurden? Und das einem Volke zuliebe, das schon einmal im Ringen um seine Bestimmung seinen Führer im Stich gelassen hatte? Was war denn gewesen mit dem Angriff der Gruppe Steiner? Oder mit

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