Er liebt mich, er liebt mich nicht - Gibson, R: Er liebt mich, er liebt mich nicht - Daisy's Back in Town
Pfannenstiel von Texas, und auch über ihn flog sie hinweg. Ihre Zehenspitzen berührten den Schnee auf dem Gipfel, und sie schwebte höher und höher hinauf. Immer weiter schraubte sie sich in die Höhe, außer sich vor Angst, weil sie wusste, wie es enden würde. Sie würde abstürzen. Es war unvermeidlich, und es würde entsetzlich schmerzen.
Gerade als sie im Begriff war, die Erdatmosphäre zu durchstoßen, zerrte die Schwerkraft an ihren Füßen und riss sie wieder nach unten. Vorbei am Mount Rainier und den Baumwipfeln, und ihr war klar, dass sie sterben würde.
Unmittelbar bevor sie auf der Erde aufschlug, riss sie die Augen auf, und zwei Dinge wurden ihr bewusst – erstens würde sie nicht aufschlagen, und zweitens hielt sie den Atem an. Morgenlicht fiel über ihr Bett, und sie seufzte erleichtert auf. Allerdings hielt die Erleichterung nicht lange vor, denn die Ereignisse des Vorabends stürmten ohne jede Vorwarnung und mit aller Macht auf sie ein.
Klatsch.
Die Beschämung, die sie am Abend zuvor nicht empfunden hatte, ließ sie hellwach werden, als hätte jemand einen Eimer kaltes Wasser über ihr ausgekippt. Jetzt, bei hellem
Tageslicht, erinnerte sie sich an jede unerträgliche Einzelheit. An Jacks feuchten, warmen Mund, an das Gefühl seiner bloßen Brust unter ihren Fingern, an die Berührung seiner Hände.
Stöhnend presste sie sich das Kissen aufs Gesicht. Die Erinnerung daran, wie sie die Beine um seine Taille geschlungen hatte, war besonders schmerzhaft. So hatte sie sich nicht aufgeführt, seit … seit … seit sie im letzten Highschooljahr Jack in eine Abstellkammer gezerrt hatte. Damals war sie noch jung und naiv gewesen. Das traf jetzt beides nicht mehr auf sie zu.
Jetzt war sie einfach nur eine Närrin.
Am Abend zuvor hätte sie Jack am liebsten mit Haut und Haaren verschlungen. Heute musste sie ihm von Nathan berichten. Wie sollte sie ihm in die Augen sehen, nachdem sie ihn so leidenschaftlich geküsst und gestreichelt hatte? »Oh Gott«, stieß sie bei der Erinnerung an ihr Geständnis hervor, dass sie seit zwei Jahren keinen Sex mehr gehabt hatte. Wie sollte sie ihm danach noch unter die Augen treten?
Sie hatte keine andere Wahl, deshalb würde sie es können müssen .
Sie schleuderte das Kissen fort und stieg aus dem Bett. Genau in jenem Pyjama, den sie in ihrem Traum getragen hatte, lief sie die Treppe hinunter. Nachdem Jack sie an der Mauer vor dem Slim Clem’s stehen lassen hatte, war sie zurück ins Lokal gegangen, hatte sich mit einer Lebensmittelvergiftung entschuldigt und Lily damit gezwungen, sie nach Hause zu bringen. Jack hatte sie nicht mehr gesehen, und wenigstens darüber war sie froh.
Ihre Mutter saß in einem pinkfarbenen Nylonnachthemd in der Frühstücksnische in der Küche. Eine Seite ihres blonden Zuckerwatte-Haars sah leicht platt gedrückt aus.
Am Vorabend hatte Pippen tief und fest geschlafen, als Lily sie zu Hause absetzte, deshalb war sie über Nacht geblieben. Jetzt saß er neben seiner Großmutter in seinem Hochstuhl, aß Cornflakes und trank aus seiner Kindertasse. Er trug seine Waschbärmütze, seine Blue’s-Clues-Hose, und ein Cornflake klebte an seiner Wange. »Guten Morgen, Mom«, sagte Daisy und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. »Wie geht’s, Pip?«
»Will fernsehen«, antwortete Pippen.
»Nach dem Frühstück kannst du fernsehen«, erklärte Louella, ehe sie Daisy einen Blick zuwarf. »Ich weiß, was passiert ist. Thelma Morgan hat heute früh angerufen und mir alles erzählt«, erklärte sie mit unüberhörbarer Enttäuschung in der Stimme.
Daisy spürte, wie ihr die Glut in die Wangen stieg. »Thelma Morgan hat mich gesehen?« Wo hatte sie sich wohl versteckt? Hinter dem Müllcontainer? Es war erst acht Uhr morgens, und schon versprach der Tag die absolute Hölle zu werden.
»Sie ist auf eine Tasse Kaffee und einen Kuchen zum Supermarkt gefahren, und da hat sie das Ganze beobachtet.«
Was? »Oh.« Daisy stieß einen erleichterten Seufzer aus und lachte. »Ach, das.«
»Ja, das. Was habt ihr euch dabei gedacht, Lily und du? Euch so öffentlich zur Schau zu stellen?« Louella biss in ihren Toast. »Ich verstehe die Welt nicht mehr.«
»Wir wollten einen Becher Dr. Pepper holen«, erklärte Daisy und verschwieg vorsichtshalber, dass Lily ihren Exmann in spe beschattete. Sie durchquerte die Küche und setzte sich zu ihrer Mutter. »Du-weißt-schon-wer«, erklärte sie mit einem Blick auf Pippen, »und Kelly sind auf den Parkplatz
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