Er trank das ewige Leben
mußte. Man hatte ihm alles aufgezeichnet. Seine Sorge bestand nur darin, daß er den Ort noch vor Anbruch der Dunkelheit erreichen mußte, deshalb ruderte er schneller. Er war durch und durch naß geschwitzt. Aber Marek war zäh wie Leder. Die Zeichen der langen Lebensjahre hatten sich tief in sein Gesicht eingegraben, das mittlerweile an eine Landkarte erinnerte. Sein Haar war dunkelgrau geworden und von helleren Strähnen durchzogen.
Aus der Ferne wirkte er wie ein alter Mann. Nur wer ihn genauer anschaute und in die hellen Augen blickte, der erkannte, welch eine Energie in diesem Mann steckte. Daß er sich noch lange nicht zum alten Eisen gehörig fühlte, denn die Jagd war für ihn erst beendet, wenn es ihn nicht mehr gab.
Eine besondere Jagd. Die Jagd nach den Geschöpfen der Finsternis, nach den Wiedergängern, den uralten Blutsaugern, den Vampiren.
Dafür war er bekannt, und deshalb wurde er auch Marek, der Pfähler, genannt, was auch sein Freund Negru wußte. Marek war auf dem Weg zu ihm, um einen dieser Blutsauger zu jagen, der sich hier im Delta aufhalten sollte.
Negru wußte mehr. Sein Brief war ein Hilferuf gewesen, und der Pfähler hatte sich auf den Weg gemacht. Wo er helfen konnte, da schritt er ein, auch wenn es dabei immer um sein Leben ging. Er spürte den Druck der neuen Waffe an seiner Brust. Er besaß sie noch nicht lange, aber sie war ungemein wichtig.
Es war das Vampirpendel. Ein geheimnisvoller Stein, auf dessen Oberfläche das alte Gesicht der Zigeunerin Zunita zu sehen war. Mit diesem Pendel war Marek in der Lage, die Blutsauger aufzuspüren, und er hütete es ebenso wie seine eigentliche Waffe, den vorn zugespitzten Eichenpflock, der schon so manchem Blutsauger den Garaus gemacht hatte.
Der Kahn schwankte. Marek glitt durch den trüben Dunst. Die Sonne stand wie ein schräg liegender heller Teller am Himmel. Ein böses, heißes Auge, das auf die Welt glotzte, als wollte es sie verdampfen.
Vögel zogen träge durch die Luft. Sie sahen so grau aus, sie wirkten so müde und schienen sich der Umgebung anzupassen, die vor sich hinsiechte.
Der breite Schilfgürtel sah für den Pfähler undurchdringlich aus, wie er vor ihm lag. Aber er war es nicht, denn beim Näherkommen entdeckte Marek eine Lücke, die jemand geschlagen hatte, und er stakte den Kahn in diesen schmalen Kanal hinein.
Das Schilf bewegte sich kaum. Wie grüne Messer ragte es aus der trüben Brühe hervor.
Marek fuhr weiter. Er hörte die lauten Geräusche der Wasservögel, und er fragte sich, was sie zu bedeuten hatten.
Etwas schlug von unten her gegen den Kahn. Marek fuhr weiter, denn wo er auch hinschaute, er sah nur diesen Wald aus Schilf. Aber er mußte ihn durchqueren, das hatte ihm sein Freund geschrieben, denn hinter dem Gürtel lagen die wenigen Hütten, da war das Land trocken, da konnten die Fischer leben, die mit ihren Booten bis hinaus aufs Schwarze Meer fuhren.
Einen Landweg gab es auch. Der aber war nur mit Geländewagen zu befahren, der VW hätte es wohl nicht geschafft. Es war wirklich nicht angenehm, in einem Schlammloch zu versinken oder steckenzubleiben.
Frantisek Marek wußte, daß er es pünktlich schaffen konnte. Immer wieder stach er den Stab in die Brühe. Er hatte sich an das Scheuern des Schilfs und der Rohre an der Außenwand gewöhnt. Ebenso an die Protestschreie der Vögel, die er auf seiner Reise durch das Schilf störte, das allmählich an Dichte verlor.
Marek schwitzte. Er fühlte sich verdreckt, und es gab keine Stelle an seinem Körper, die nicht von einem Schweißfilm bedeckt gewesen wäre, aber darauf achtete der Pfähler schon lange nicht mehr, und über sein Gesicht huschte sogar ein Lächeln, als er die Umrisse der Häuser auftauchen sah.
Das war sein Ziel.
Der Pfähler atmete auf. Er sah nicht nur die Häuser, er sah auch die Boote der Fischer im Wasser liegen und stellte fest, daß hier wieder mehr Platz war, deshalb setzte er sich und ruderte wieder. Über ihn wischten mit lauten Protestschreien Möwen hinweg. Sie waren auf der Suche nach Futter, lebten auch von den Abfällen der Menschen, aber sie fraßen am liebsten Fische. Da diese vergiftet waren, konnten auch die Vögel nicht gesund sein. Ein Kreislauf.
Die wenigen Häuser sahen aus, als würden sie auf dem Wasser schwimmen. Vor, zwischen und über ihnen waberte der Dunst, und der Himmel schien sie erdrücken zu wollen.
Auch die Boote bewegten sich nicht. Sie sahen aus, als wären sie in diese Kulisse hineingemalt
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