Er war ein Mann Gottes
schönen körperlichen Gefühl im Kopf etwas Böses.
Wir selber wissen, dass wir von dem Menschen, der unsere Anhänglichkeit ausnutzte, keinen Sex wollten. Die sexuellen Manipulationen nahmen wir hin, weil wir entweder diese »komische« Art zärtlicher Zuwendung oder gar keine bekamen. Wir nahmen den Sex in Kauf, weil wir dabei gestreichelt, gedrückt, umarmt, geküsst, mit schönen Worten bedacht wurden.
Grausam werden die Nachwirkungen des sexuellen Missbrauchs, wenn ein Opfer sich verliebt. Da zärtliche Verliebtheiten und sexuelle Handlungen nach einem gewissen Schema ablaufen, das zwar individuell variabel, im Grundsatz aber identisch ist, rufen sie unwillkürlich Erinnerungen an sexuelle Missbrauchshandlungen sowie die damit verbundenen Ängste und Schuldgefühle wach.
Leidvoll stellt man fest, dass man als Missbrauchsopfer in einer späteren Liebesbeziehung nicht einfach aufhören kann, sich wie früher zu benehmen.
Als der Missbrauch stattfand, versuchten wir, die eigenen Gefühle zu kontrollieren und den Orgasmus zu unterdrücken. Wir wollten die »gute« Liebe, nicht die »böse«.
Später, in einer freiwilligen Liebesbeziehung, kann man deshalb entweder keinen Höhepunkt der Lust mehr erleben oder verfällt in dem Moment, in dem man die Selbstkontrolle zu verlieren droht, in Panik oder in Angststarre.
Berührungsängste und Hingabeverweigerung können daraus ebenso erwachsen wie ein geradezu unstillbares Bedürfnis nach sexueller Dominanz oder Erniedrigung. Nur zu oft erregen erst Rituale der Gewalt und Unterwerfung unsere Lust, die wir gleichzeitig ablehnen.
Viele von uns hassen ihren Körper für Lustgefühle, weil diese nicht dem eigenen Willen gehorchen, sondern unkontrollierbar aufbrechen und von außen manipulierbar sind. Man wertet sie als Verrat des Körpers und zieht sich so weit als möglich aus ihm zurück. Man will nicht mehr sehen, dass der Körper schön ist. Man tut alles, ihn zu verstecken oder hässlich zu machen. Man will nicht verstehen, was der Körper fühlt oder braucht. Man verachtet die Haut, die auf Streicheln reagiert, und will sie durch Verletzungen, Entstellungen bestrafen. Man würde die eigenen Geschlechtsteile am liebsten verschwinden lassen und zerstört ihre Anziehungskraft, indem man sie durch Essstörungen aushungert und sie so quasi unkenntlich werden lässt.
Nicht immer, aber sehr oft führt die körperliche Selbstentfremdung dazu, dass Betroffene suchtartig autoaggressiv werden, um nicht nur den eigenen Leib zu bestrafen, sondern auch den Menschen, der Freude an diesem Leib hat bzw. hatte. Zur Selbstbestrafung dient der Schmerz, zur Fremdbestrafung die Entstellung.
Verbrennungen mit glühenden Zigaretten, tiefe Schnitt- oder grobe Kratzwunden mit schartigen Gegenständen sowie äußerliche und innerliche Verätzungen mit scharfen Chemikalien und Suizidversuche gehören zu den häufigsten Selbstverletzungen.
Passiert all das bereits während des Missbrauchsgeschehens, ist damit der selten erfüllte Wunsch verbunden, die eigene Attraktivität für den Täter zu zerstören oder sein Mitleid mit dem geschundenen Körper zu wecken, um weiteren Missbrauch zu verhindern.
Auch ich wollte schon oftmals nicht mehr leben und kämpfe bis heute gegen die Verlockung des ewigen Friedens an.
Deshalb kann ich jeden, der mit Kindern lebt, nur mahnen, dass junge Seelen ihre Not selten verbal, aber immer körpersprachlich ausdrücken. Das nach außen sichtbare »Verdrehte« ist nichts als der Spiegel des schmerzvollen Innern. Schlimm, wenn diejenigen, die Verantwortung für das Kind tragen, nur wahrnehmen, was sein »verdrehtes Gehabe« mit ihnen selber macht, und sie vor lauter Genervtsein nicht durch Fragen und verständnisvolle, kluge Aufmerksamkeit nachspüren, was das Kind ihnen mitteilen will.
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