Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
Gefährtin? Lag es daran, dass sie ein Drache war und er ein Mensch? Lag es daran, dass Sloans Charakter simpler gewesen war als der von Saphira?
Eragon wusste es nicht.
Eine der Übungen, die er und Saphira auf Glaedrs Rat hin gemacht hatten, bestand darin, sich gegenseitig zu erzählen, welche Schwächen sie am anderen bemerkt hatten: er an ihr und sie an ihm. Es war eine demütigende Übung gewesen. Außerdem hatte Glaedr ihnen seine Beobachtungen mitgeteilt, und obwohl der Drache dabei freundlich gewesen war, hatte Eragon nicht verhindern können, dass er sich in seinem Stolz verletzt fühlte, als er hörte, wie Glaedr seine diversen Fehler aufzählte. Doch Eragon wusste, dass er auch sie miteinbeziehen musste, wenn er versuchte, seinen wahren Namen zu ergründen.
Für Saphira bestand die härteste Aufgabe darin, sich ihre Eitelkeit einzugestehen, die sie die längste Zeit über verleugnet hatte. Bei Eragon war es seine Überheblichkeit, von der Glaedr behauptete, er lege sie bisweilen an den Tag, seine Gefühle bezüglich der Männer, die er getötet hatte, und seine Launen, die Selbstsucht, die Wut und die anderen Unzulänglichkeiten, zu denen er neigte.
Und obwohl sie sich so aufrichtig wie irgend möglich erforscht hatten, waren sie dadurch nicht zum Ziel gelangt.
Heute und morgen, das ist alles, was uns noch bleibt. Der Gedanke daran, mit leeren Händen zu den Varden zurückzukehren, bedrückte ihn. Wie sollen wir Galbatorix bezwingen?, fragte er sich, wie schon so oft. Nur noch ein paar Tage und unser Leben liegt vielleicht nicht mehr in unserer Hand. Wir werden Sklaven sein wie Murtagh und Dorn.
Er fluchte leise und schlug verstohlen mit der Faust auf den Boden.
Beruhige dich, Eragon, sagte Glaedr und Eragon erkannte, dass der Drache seine Gedanken abschirmte, sodass Saphira sie nicht hörte.
Wie könnte ich?, knurrte er.
Es ist einfach, ruhig zu sein, wenn es keinen Grund zur Sorge gibt, Eragon. Wahre Selbstbeherrschung besteht darin, in einer schwierigen Situation Ruhe zu bewahren. Du darfst nicht zulassen, dass Wut oder Enttäuschung deine Gedanken trüben, nicht im Moment. Gerade jetzt brauchst du einen klaren Verstand.
Habt Ihr es in Zeiten wie diesen immer geschafft, Ruhe zu bewahren?
Der alte Drache schien leise zu lachen. Nein. Früher habe ich geknurrt und gebissen, Bäume ausgerissen und das Erdreich zerwühlt. Einmal habe ich im Buckel die Spitze eines Berges abgebrochen. Die anderen Drachen waren deswegen ziemlich verärgert. Aber ich hatte viele Jahre Zeit, um zu lernen, dass es selten hilft, die Fassung zu verlieren. Du hast nicht so viel Zeit, ich weiß, aber lass dich von meiner Erfahrung leiten. Lass deine Sorgen los und konzentriere dich nur auf die vor dir liegende Aufgabe. Die Zukunft wird bringen, was sie bringen wird, und wenn du dich darüber aufregst, ist es nur umso wahrscheinlicher, dass deine Ängste wahr werden.
Ich weiß, seufzte Eragon, aber das ist nicht einfach.
Natürlich nicht. Nur wenige Dinge von Wert sind einfach. Dann zog Glaedr sich zurück und überließ ihn der Stille seines eigenen Geistes.
Eragon holte seine Schale aus der Satteltasche, sprang über den Steinwall und ging barfuß zu einer der Pfützen unter dem Loch in der Decke. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt und den Boden in diesem Teil der Halle mit einem glatten Film überzogen. Er hockte sich an den Rand der Pfütze und begann mit bloßen Händen Wasser in die Schale zu schöpfen.
Nachdem die Schale voll war, zog sich Eragon damit ein paar Schritte zurück und stellte sie auf einen Steinbrocken, der die Höhe eines Tisches hatte. Dann rief er sich ein Bild von Roran ins Bewusstsein und murmelte: »Draumr kópa.«
Das Wasser in der Schale schimmerte und ein Bild von Roran erschien vor einem reinweißen Hintergrund. Er schritt neben Horst und Albriech her und führte Schneefeuer, sein Pferd, am Zügel. Die drei Männer wirkten müde und erschöpft, aber sie trugen noch immer Waffen, daher wusste Eragon, dass sie nicht Gefangene des Imperiums waren.
Als Nächstes suchte er mit der Traumsicht Jörmundur, dann Solembum – der gerade ein frisch getötetes Rotkehlchen zerfetzte – und zuletzt Arya. Aber Aryas Schutzzauber verbargen sie vor seinem Blick und alles, was er sah, war Schwärze.
Schließlich löste Eragon den Zauber und schüttete das Wasser zurück in die Pfütze. Als er über den Schutzwall um ihr Lager kletterte, rekelte Saphira sich, gähnte, machte einen Buckel wie eine
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