Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
weiterentwickeln würde, aber dann hatte sie das Gefühl gehabt, dass sie Galbatorix’ falsche Spielchen lange genug mitgespielt hatte. Also hatte sie sich auf die erste Unstimmigkeit gestürzt, die sie bemerkte – die Form der Schuppen um Saphiras Augen –, und sie als Vorwand benutzt, um so zu tun, als würde sie erst jetzt bemerken, dass die Welt um sie herum nur eine Täuschung war.
»Ihr habt versprochen, dass Ihr mich nicht belügen würdet, solange ich in der Halle der Wahrsagerin bin!«, hatte sie in den leeren Raum gerufen. »Was ist das anderes als eine Lüge, Eidbrecher?«
Galbatorix’ Zorn über ihre Entdeckung war gewaltig gewesen. Er hatte ein Knurren ausgestoßen, das dem größten Drachen alle Ehre gemacht hätte, jede Raffinesse fahren lassen und ihr während des Rests der Sitzung eine Reihe von Folterqualen vorgetäuscht.
Irgendwann waren die Trugbilder endlich verschwunden und Murtagh hatte sich mit ihr in Verbindung gesetzt, um sie wissen zu lassen, dass sie ihren Sinnen wieder trauen konnte. Noch nie war sie so glücklich darüber gewesen, die Berührung seines Geistes zu spüren.
In dieser Nacht war er zu ihr gekommen und sie hatten Stunden zusammengesessen und geredet. Er erzählte ihr von den Fortschritten der Varden – sie hatten die Hauptstadt fast erreicht – und von den Vorbereitungen des Imperiums. Außerdem erklärte er, dass er vielleicht eine Möglichkeit gefunden habe, sie zu befreien. Als sie ihn nach Einzelheiten fragte, wollte er nichts preisgeben, sondern sagte nur: »Ich brauche noch ein oder zwei Tage, um herauszufinden, ob es funktioniert. Aber es gibt eine Möglichkeit, Nasuada. Ihr müsst daran glauben.«
Sie glaubte an seine Aufrichtigkeit und seine Sorge um sie. Selbst wenn sie niemals entkam, war sie froh, zu wissen, dass sie in ihrer Gefangenschaft nicht allein war.
Nachdem sie ihm von einigen Dingen erzählt hatte, die Galbatorix ihr angetan hatte, und davon, wie sie seine Pläne durchkreuzt hatte, lachte Murtagh leise. »Ihr habt Euch als zäher erwiesen, als er erwartet hat. Es ist lange her, dass jemand ihm einen solchen Kampf geliefert hat. Ich ganz bestimmt nicht … Ich verstehe nur wenig davon, aber ich weiß, dass es unvorstellbar schwierig ist, glaubwürdige Illusionen zu erschaffen. Jeder tüchtige Magier kann Euch vorgaukeln, wie Ihr am Himmel schwebt oder dass Euch kalt oder heiß ist oder dass vor Euch eine Blume wächst. Kleine komplizierte Dinge oder große einfache Dinge sind das Höchste, was eine einzelne Person erschaffen kann – und es erfordert eine Menge Konzentration, diese Illusion aufrechtzuerhalten. Wenn Eure Aufmerksamkeit ins Wanken gerät, hat die Blume ganz plötzlich vier Blätter statt zehn. Oder sie verschwindet ganz. Einzelheiten wiederzugeben, ist das Schwierigste. Die Natur ist erfüllt von unendlich vielen Einzelheiten, aber unser Geist kann nur eine begrenzte Menge davon erfassen. Wenn Ihr jemals Zweifel habt, ob das, was Ihr seht, real ist, haltet Ausschau nach den Einzelheiten. Haltet Ausschau nach Nahtstellen, wo der Magier nicht weiß, was dort sein soll, oder es vergessen hat oder wo er eine Vereinfachung gewählt hat, um Kraft zu sparen.«
»Wenn es so schwierig ist, wie schafft Galbatorix es dann?«
»Er benutzt die Eldunarí.«
»Alle?«
Murtagh nickte. »Sie liefern die Energie und die Einzelheiten, die notwendig sind, und er tut ihnen kund, was er will.«
»Also fußten die Dinge, die ich gesehen habe, auf den Erinnerungen von Drachen?«, fragte sie mit einem Anflug von Ehrfurcht.
Er nickte abermals. »Darauf und auf den Erinnerungen ihrer Reiter, soweit sie Reiter hatten.«
Am folgenden Morgen hatte Murtagh sie mit einem schnellen Gedankenblitz geweckt, um ihr mitzuteilen, dass Galbatorix in Kürze wieder anfangen würde. Danach hatten Fantasiegebilde und Illusionen jeglicher Art sie belagert. Aber im Laufe des Tages bemerkte sie, dass die Visionen – mit einigen bemerkenswerten Ausnahmen wie der von ihr und Murtagh auf dem Gut – undeutlicher und einfacher geworden waren, als würden entweder Galbatorix oder die Eldunarí allmählich müde.
Und jetzt saß sie auf der kargen Ebene und summte eine Zwergenmelodie, während Kull, Urgals und Ra’zac sich auf sie stürzten. Sie packten sie und es fühlte sich an, als würden sie sie mit Fäusten und Messern bearbeiten, und bisweilen schrie sie und wünschte, der Schmerz würde enden. Aber nicht ein einziges Mal zog sie es in Erwägung, sich Galbatorix’
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