Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
konnten. Bevor er sie erreichte, kam er an Carn vorbei, der unter dem Kran saß und etwas aus einem Lederbeutel aß, den er stets bei sich trug. Der Beutel enthielt, wie Roran wusste, eine Mischung aus Schweineschmalz, Honig, pulverisierter Rinderleber, Lammherz und Beeren. Bei der einen Gelegenheit, als Carn ihm etwas davon gegeben hatte, hatte es ihn gewürgt. Doch nur wenige Bissen davon konnten einen Mann einen ganzen Tag trotz harter Arbeit auf den Beinen halten.
Zu Rorans großer Sorge wirkte der Magier vollkommen entkräftet. »Kannst du weiterkämpfen?«, fragte Roran und blieb neben ihm stehen.
Carn nickte. »Ich brauche nur einen Moment … Die Bolzen im Tunnel und dann die Mehlsäcke und die Schieferplatte …« Er stopfte sich noch einen Bissen seiner Mischung in den Mund. »Es war etwas viel auf einmal.«
Beruhigt wollte Roran weitergehen, aber Carn hielt ihn am Arm zurück. »Das war nicht ich«, sagte er und um seine Augen bildeten sich Lachfältchen. »Ich meine deinen versengten Bart. Die Fackeln müssen das Feuer verursacht haben.«
Roran brummte etwas und setzte seinen Weg in Richtung der Türen fort. »Formiert euch!«, rief er dann und schlug mit der flachen Seite seines Hammers auf seinen Schild. »Baldor, Delwin, ihr übernehmt mit mir die Führung. Die anderen reihen sich hinter uns ein. Schilde hoch, Schwerter gezückt, Pfeile eingelegt. Halstead weiß vielleicht noch nicht, dass wir in der Stadt sind. Also lasst niemanden entkommen, der ihn warnen könnte … Seid ihr so weit? Dann, zu mir!«
Zusammen entriegelten er und Baldor – dessen Wangen und Nase von der Explosion gerötet waren – die Türen und rissen sie auf. Aroughs lag vor ihnen.
STAUB UND ASCHE
D
utzende großer, verputzter Bauten standen dicht gedrängt um das Tor in der Außenmauer der Stadt, durch das der Kanal nach Aroughs hineinfloss. Es schienen Lagerhäuser zu sein, mit leeren schwarzen Fensterlöchern, die sie kalt und abweisend anstarrten. In Anbetracht der frühen Morgenstunde war die Wahrscheinlichkeit groß, dass noch niemand ihren Zusammenstoß mit den Wachen bemerkt hatte.
Doch Roran hatte nicht die Absicht, lange herumzustehen, um es herauszufinden.
Zaghafte Strahlen ersten Sonnenlichtes fielen fast waagerecht über die Stadt und vergoldeten die Spitzen der Türme, die Zinnen, die Kuppeln und die schrägen Dächer. Die Straßen und Gassen waren noch in kaltes silbriges Zwielicht getaucht und das trübe dunkle Wasser in dem mit Steinen eingefassten Kanal war durchzogen von Blutschlieren. Hoch über ihnen leuchtete ein einsamer Stern – ein verstohlener Funke auf dem heller werdenden blauen Himmelsmantel, dessen andere nächtliche Juwelen von den Strahlen der Sonne bereits ausgelöscht worden waren.
Die Varden trabten los und ihre Lederstiefel wetzten über das Kopfsteinpflaster.
In der Ferne krähte ein Hahn.
Roran führte sie durch das Labyrinth der Häuser in Richtung Oberstadt, aber er wählte nicht immer den offensichtlichsten oder direktesten Weg, um die Gefahr zu verringern, auf den Straßen jemandem zu begegnen. Die Gassen, denen sie folgten, waren schmal und düster, und manchmal hatte er Mühe, zu sehen, wohin er seine Schritte setzte.
Der Gestank der dreckverspritzten Gossen entlang der Straßen erfüllte ihn mit Abscheu und er sehnte sich nach den weiten Feldern, die er gewohnt war.
Wie kann irgendjemand es ertragen, hier zu leben?, fragte er sich. Nicht einmal Schweine suhlen sich in solchem Dreck.
Weiter weg von der Stadtmauer änderte sich die Bebauung. An die Stelle der Lagerhäuser traten nun Wohnhäuser und Geschäfte, hohe, weiß getünchte Mauern und eisenbeschlagene Türen. Hinter den mit Läden verschlossenen Fenstern hörte Roran manchmal Stimmen, das Klappern von Geschirr oder das Kratzen eines Stuhls, der über einen Holzboden gezogen wurde.
Uns läuft die Zeit davon, dachte er. Noch ein paar Minuten und in den Straßen würde es von den Bürgern Aroughs nur so wimmeln.
Wie um seine Vorahnung zu bestätigen, traten zwei Männer vor ihnen aus einer Gasse. Beide trugen je eine Stange über der Schulter, an deren Enden Eimer mit frischer Milch hingen.
Die Männer blieben überrascht stehen, als sie die Varden bemerkten, und die Milch schwappte aus den Eimern. Ihre Augen weiteten sich und sie öffneten schon den Mund, um etwas zu rufen.
Roran hielt inne und die Truppe hinter ihm ebenso. »Wenn ihr schreit, bringen wir euch um«, erklärte er mit leiser, freundlicher
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