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Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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tüchtig sind, finden Sie seine Privatnummer bestimmt auch selbst heraus. Aber ich würde doch vorschlagen, Sie warten bis Montag und rufen uns dann wieder an. Okay?«
    Nachdem er das Gespräch beendet hatte, lehnte er sich in seinem Sitz zurück und sah aufs Armaturenbrett. Ein Uhr. Dann konnte er noch rechtzeitig ins Büro kommen und Merete Lynggaards Handy überprüfen, falls es der Akku nach fünf Jahren noch tat. Das war eher unwahrscheinlich. Ansonsten mussten sie schnellstens einen neuen beschaffen.
    Draußen auf den Feldern hinter den Hügeln flogen die Möwen in Scharen auf. Ein Fahrzeug brummte unter ihnen und wirbelte die staubige Erde auf. Dann tauchte das Dach des Führerhauses auf. Es war ein Traktor, ein massiver Landini mit blauem Führerhaus, der gemächlich über den Acker rumpelte. So etwas wusste man, wenn man mit Mist an den Stiefeln aufgewachsen war. Also wird hier auch gedüngt, dachte Carl und beschloss loszufahren, ehe der Gestank zu ihm herüberwehte und in seine Klimaanlage geriet.
    In dem Moment fiel sein Blick auf den Bauern, der hinter der Plexiglasscheibe saß. Die Kappe auf dem Kopf, voll konzentriert auf seine Arbeit und das Bestreben, alle Rahmen für die Ernte dieses Sommers zu sprengen. Er hatte rote Wangen und trug ein Holzfällerhemd. Ein richtiges kariertes Holzfällerhemd, wie es sie schon immer gab.
    Verfluchter Mist, dachte er. Jetzt hatte er vergessen, die Kollegen in Sorø anzurufen. Er hatte ihnen sagen wollen, dass er glaubte, sich zu erinnern, welche Art von kariertem Hemd der Täter auf Amager getragen hatte. Er seufzte. Hätten sie ihn doch außen vor gelassen. Demnächst würde er wohl noch mal zu ihnen fahren müssen, um das Hemd zum zweiten Mal zu identifizieren.
    Er gab die Nummer ein und bekam den Diensthabenden an den Apparat, der ihn unmittelbar zum Ermittlungschef durchstellte. Jørgensen hatten sie ihn genannt.
    »Hier spricht Carl Mørck aus Kopenhagen. Ich glaube, ich kann jetzt bestätigen, dass eines der mir vorgelegten Hemden dem entsprach, das einer der Täter auf Amager trug.« Jørgensen reagierte nicht. Warum zum Teufel räusperte er sich nicht wenigstens oder so etwas, damit man wusste, ob er noch dran war.
    Dafür räusperte sich nun Carl, in der Hoffnung, es könnte ansteckend wirken, aber der Mann schwieg beharrlich. Vielleicht hatte er den Apparat nur auf Empfang eingestellt.
    »Weißt du, ich habe in den letzten Nächten davon geträumt«, fuhr Carl fort. »Mehrere der Szenen von der Schießerei sind dabei zurückgekommen. Und auch der kurze Blick auf das Hemd. Ich kann das alles jetzt ziemlich deutlich vor mir sehen.«
    »Aha«, sagte Jørgensen endlich. Vielleicht hätte er stattdessen jubeln sollen, wenigstens ein bisschen.
    »Willst du nicht wissen, an welcher Stelle das Hemd, an das ich denke, auf dem Tisch lag?«
    »Und du glaubst, daran kannst du dich erinnern?«
     »Wenn ich mich an das Hemd erinnern kann, nachdem ich eine Kugel in den Kopf bekommen habe und ein 150- Kilo- Mann auf mich draufgefallen ist, während anderthalb Liter Blut von meinem besten Kumpel über mich spritzten, kann ich mich dann nicht vielleicht auch vier Tage später an die Reihenfolge der verdammten Hemden erinnern?«
    »Es scheint mir nicht ganz das Normale zu sein.«
    Carl zählte bis zehn. Sehr gut möglich, dass so etwas in der Storgade in Sorø »nicht ganz das Normale« war. Deshalb arbeitete er doch auch in einem Dezernat, in dem die Zahl der Gewaltdelikte zwanzigmal höher lag als in dem von Jørgensen, oder?
    Schließlich sagte er nur: »Ich bin auch gut in Memory.« Danach entstand wieder eine Pause, bis seine Antwort zu Jørgensen vorgedrungen war. »Nein, wirklich. Na, dann schieß mal los.«
    »Es war das Hemd, das links außen lag«, sagte Carl. »Also dasjenige, das dem Fenster am nächsten war.«
    »Okay«, antwortete Jørgensen. »Das entspricht der Aussage des Zeugen.«
    »Gut, das freut mich. Okay, das war's schon. Ich schick dir eine Mail, dann hast du es schriftlich.« Inzwischen war der Traktor auf dem Acker bedenklich nahe gekommen. Aus den Rohren des Gülleaufsatzes spritzte die Jauche, dass es eine Freude war.
    Carl schloss das Fenster auf der Beifahrerseite und wollte gerade auflegen.
    »Einen Moment noch«, sagte Jørgensen. »Wir haben einen Verdächtigen festgenommen. Also, unter Kollegen kann ich ja sagen, dass wir außerordentlich sicher sind, einen der Täter gefasst zu haben. Wann kannst du zur Gegenüberstellung hierherkommen?

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